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MANNHEIM/ Nationaltheater: MEINE GENIALE FREUNDIN von Elena Ferrante. Deutsche erstaufführung/ Premiere

23.02.2019 | Theater
  • Mannheim/ Nationaltheater: Meine geniale Freundin/ Elena Ferrante   DEA 23.2.2019   Premiere

Es war nur eine Frage der Zeit dass der zu Recht gehypte Roman ‚Meine geniale Freundin‘, eine Neapel- Tetralogie der unter Pseudonym schreibenden Elena Ferrante, auch die Bühnen erobern würde. Das Nationaltheater hat sich jetzt die deutsche Erstaufführung des ersten Teils in der Übersetzung von Karin Krieger und in der Bühnenfassung von Felicitas Brucker (auch Regie), Anna-Sophia Günther (auch Dramaturgie) und Annabelle Leschke gesichert. Es ist ein packender Theaterabend, in dem Kindheit, frühe Jugend und Jugend der „genialen Freundin“ Lila sowie der 2.Hauptprotagonistin Elena als Ich-Erzählerin geschildert werden.

Bildergebnis für mannheim meine geniale freundin
Arwen Schünke,  Lorene Handschin, (c) Hans Jörg  Michel         

In der Inszenierung gibt es von Beginn an eine ältere Elena in maskulin dunkler Kleidung (Kostüm: Katrin Wolfermann), die in Turin den Anruf erhält, daß Lila in Neapel verschwunden sei. Und daran schließt sich direkt ihre Rückerinnerung und Imaginierung ihrer beider Kindheit an, z.B. wie sie ihre Puppen in den Keller von Don Achille, dem düsteren angeblichen Mörder im Rione (Kiez), werfen,  Achille  dann für deren Verschwinden verantwortlich machen, der ihnen aber lässig ein paar Lire hinwirft, von denen sie sich aber ein literarisches Kinderbuch kaufen. Die Freundinnen beschließen, dass sie der Gewalt, der Herzlosigkeit und der Armut im Kiez  entfliehen werden, indem sie sich Bildung auch über die Schule, sowie Geld erwerben. In diesem Rione regiert aber auch die Comorra mit den Brüdern Solara, die die Mädchen in ihren Autos verführen und sie sich abhängig machen wollen. Während es in der Inszenierung von F. Brucker bei den zwei Elenas, der jungen und der älteren bleibt, gibt es vier Lilas im roten Kleid (die junge Elena trägt ein blaues), um ihre jeweiligen ‚Stationen‘ besonders zu markieren. Im Gegensatz zu Elena darf sie nicht die höhere Schule besuchen, bildet sich aber mit vier Bibliotheksausweisen ihrer Angehörigen selber weiter, lernt sogar Latein. Dann gelingt es ihr auch, Schuhe in der Schusterei ihres Vaters zu creieren, die das Interesse der Solara-Brüder erwecken, die in die Schuhwerkstatt ihres Vaters investieren und die Schuhe groß herausbringen. Einen anderen Emporkömmling des Rione, der mit einer Salumeria (Wurst-Delikatessen Geschäft) Geld macht, aber letztlich auch den Solarabrüdern ausgeliefert ist, ist Stefano, der Lila auch den Hof macht und sie mit allem Drum und dran heiratet. Elena lebt im neuen Haus schnell wie eine verhätschelte Signora. Ihr Mann Stefano erweist sich aber bereits in der Hochzeitsnacht als brutal, sie löst sich wieder von ihm, ‚weigert‘ sich ein Kind von Ihm zu gebären und kehrt am Ende wieder in die Armut zurück. Elena dagegen büffelt Tag und Nacht für die Schule, hat auch einen Freund Antonio, der später aber in die Abhängigkeit von der  Comorra landet. Sie kann nach erfolgreicher Matura dann an der damals wohl einzigen kostenlosen Scuola Normale in Pisa studieren.

Die Inszenierung konzentriert sich natürlich auf die beiden Protagonistinnen. Dazu kommen deren Männer Antonio (Arash Nayebbandi, der gut auch Lilas Bruder Rino sowie Michele Solara akzentuiert) und Stefano Caracci (der älter wirkende Martin Weigel, der in einer hermetisch abgetrennten durchsichtigen Plastikzelle Lila malträtiert). Eine weitere wichtige Männerfigur ist Nino (Nicolas Fethi Türksever), ein Schwarm von Elena seit der Gymnasialzeit wegen seiner Klugheit, Distinguiert- und Redegewandheit. Als die Freunde zum ersten Mal am Meer sind, verläßt Nino Lila zuliebe seine Freundin Nadia per Telefonanruf. Mit Lila lebt er dann für kurze Zeit in einer heruntergekommenen Wohnung in Neapel. 

Das schwarz-roh belassene Bühnenbild, das in 1.Etage Balkons als Auftrittsmöglichkeiten  für die Gangs oder bei Familenstreitigkeiten bereit hält, hat Viva Schudt gebaut. Im unteren Hintergrund mündet es in eine Art Rotor, der sich drehend und blitzend die Mädchen einmal fast zu verschlingen droht, vielleicht als Symbol ihrer Angst vor dem Mörder Achille. 

Die ältere Elena wird bravourös von Melanie Lüninghöner gegeben, manchmal räsonierend sarkastisch sprechend und mit dem größten abrufbaren Textanteil. Die junge Elena wird von der Kunststudentin Arwen Schünke auch mit ‚draller‘ Sprachgebung gespielt. Ebenfalls noch Studentin ist Lorene Handschin, Hauptarstellerin der Lila, die in ihrer Sprechweise manchmal ganz prollig wirkt. Die weiteren Lilas sind Franziska Beyer (auch Maestra Olivieiro), Sarah Zastrau (auch Pinuccia und Ada) sowie Ragna Pitoll (auch Melina, eine verrückt gewordene ehemalige Rione-Angehörige, Mutter und Maestra Olivieiro). Den Marcello Solara, der Lila unerwidert liebt und deshalb immer in ihre Fähigkeiten investieren will, gibt aalglatt Eddie Irle.

Großer Bahnhof und heiterer langer Applaus in Mannheim.                                     

Friedeon Rosén

 

 

 

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