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MANNHEIM/ Nationaltheater: LAND OHNE WORT von Dea Loher. Online-Premiere

21.12.2020 | Theater

Online-Premiere „Land ohne Worte“ von Dea Loher mit Annemarie Brüntjen am 20.12.2020 im Nationaltheater/MANNHEIM

DIE WELT HAT EINEN UNGEHEUREN RISS

Land

 
„Wie ist das für Sie, seit wir im Theater nicht mehr spielen dürfen?“ fragt die Schauspielerin Annemarie Brüntjen, die eine Malerin darstellt. Das Dilemma des Künstlers wird so schonungslos zur Sprache gebracht. Die Schauspielerin in der Rolle der Autorin scheint nicht die richtigen Worte zu finden. Sie benutzt ihr Klavier zur Zwiesprache, zum Dialog, wählt Worte von Georg Büchner: „Die Welt hat einen ungeheuren Riss“.

In der subtilen Regie von Dominic Friedel entfaltet diese Figur in der Darstellung von Annemarie Brüntjen ungeahnte Lebenskräfte, aber auch Verzweiflungsausbrüche: „Mein ganzer Schmerz legt sich in mein Herz.“ Die Kunstmalerin geht intensiv der Frage nach, was denn Kunst in Zeiten der Krise bewirken kann. „Das ist alles Kunst!“ stellt sie in einem ekstatischen Gefühlsausbruch fest. Zwischen unendlicher Einsamkeit macht sich auch fast schon Harmonie im erlebten Schmerz breit. Verzweiflung und Scheitern stehen dicht beieinander. Doch die persönliche Frage steht stets im Mittelpunkt: „Jetzt verstehst du mich…“ Die Malerin will die Welt anschauen, Neues entdecken, Altes verschwinden lassen. „Wo werden wir hingehen eines Tages?“ fragt sie. Und sie kommt zu dem Schluss, dass alles so bleiben wird wie es ist: „Warum sind wir so kompliziert?“ Weil die „Welt in Wunden“ ist, spürt sie einen tiefen Schmerz. Es sei etwas passiert, das alle Gewissheiten erschüttert, stellt sie fest. „Es muss noch mehr wehtun, damit es anders werden kann“, lautet die Erkenntnis. Vertrauen und Veränderung fehlen – das lässt die facettenreiche Schauspielerin Annemarie Brüntjen deutlich werden. Unbekanntes soll plötzlich zugelassen werden. Die Malerin hat eine tiefe Angst, dass sie niemals herauskommt, dass alles immer so bleiben wird. Es kommt zu einer heftigen Gefühlssteigerung. Die Malerin denkt über ihren Körper nach: „In wahnwitzig vergrößerter Genauigkeit“.  Der ins Monströse gewendete Mensch zeigt seine Armseligkeit, „auf dass ihm Trost gespendet werde“. Die Malerin stellt  ernüchtert fest, dass sie nur noch „Abgefetztes“ malen kann. Alle Formeln müssten aufgegeben werden. Der Obstmaler wollte die Räumlichkeit von einem Tisch erforschen, sagt sie. Das Licht verändere die Umgebung. So ist auch die Inszenierung von Dominic Friedel angelegt – Licht und Schatten liegen hier dicht beieinander, lassen der Schauspielerin Annemarie Brüntjen aber auch genügend Freiraum für ihren Lebensmonolog. „Warum gibt es eigentlich so wenig tolle Malerinnen?“ fragt sie sich schließlich. Die zentrale Frage steht plötzlich im Raum, was denn die Leute fühlen, wenn sie Kunst betrachten. Kunst und Schönheit würden sich ergänzen – aber wie soll man es malen? Diese zentrale Frage wird nicht beantwortet. Die Protagonistin ist ihren eigenen Gedanken hilflos ausgeliefert. Es ist ein Denkturm, dem sie nicht entrinnen kann – gerade in Corona-Zeiten. Zuletzt meint man auf der offenen Bühne die Musik Vivaldis zu vernehmen – eine Art Erlösung spiegelt sich im gemalten Bild. Natürlich entgeht auch dieser Monolog nicht einer gewissen Langatmigkeit. Zum Glück spaltet sich die Person in Dominic Friedels Inszenierung in mehrere Figuren auf, es kommt zu immer neuen Sicht- und Verhaltensweisen. 

Alexander Walther

 

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