Mannheim: „LA BOHEME“ WA – 06.12.2015
Ludmila Slepneva. Copyright: Nationaltheater Mannheim
Eine Boheme wie sie sein soll! Die Inszenierung der Weihnachts-Premiere 1974 von Friedrich Meyer-Oertel erlebte wiederum ihre WA zur 159. Aufführung. Hatte sie die Intendanz des Nationaltheaters in einem Anfall von Eulenspiegelei, vor einigen Jahren durch eine moderne Produktion ersetzt, welche jedoch beim Publikum keinerlei Gegenliebe fand. Nun holte man Meyer-Oertels einfallsreiche Inszenierung der realistischen Personenregie, der gelungenen Bühnenausstattung (Günter Fischer-Piscat) und den einfallsreichen, kleidsamen Kostümen (Reinhard Heinrich) wieder zu aller Freude aus der „Versenkung“. Spontane Begeisterung und Beifall für die Ausstattung des Quartier Latin mit dem Cafe Momus im zweiten Akt.
Die musikalische Leitung hatte man dem Solorepetitor Christiaan Crans ( GMD Dan Ettinger weilte wohl wieder auswärts (?) und übernimmt die beiden nächsten Vorstellungen) übertragen. Der meist bei Musicals eingesetzte Dirigent betonte die impressionistischen Stimmungen, die situationsgebenden Impulse der Partitur und ließ anfangs lediglich die Koordination zu den Solisten vermissen. In klarer Transparenz, dynamischer Vitalität, bestens disponiert musizierte das Nationaltheater Orchester.
In sichtlichem Engagement überzeugte als selbstbewusste, im Finalakt sehr berührende, innige Mimi Ludmila Slepneva und bot dank ihrer eindrucksvollen Stimmkultur puren Belcantogesang. Ihr Timbre weich, klar die Höhenqualtität, zart die Piani, traf sie in bester Phrasierung den speziellen Puccini-Ton. Weniger voluminös, doch schönstimmig bot Vera-Lotte Böcker eine darstellerisch recht solide Musetta.
Vermutlich von Mimi bereits infiziert hustete Rudolfo mehr als seine Partnerin. In hell strahlenden Aufschwüngen ohne jegliche Verfärbungen interpretierte Zurab Zurabishvili mit Elan den Poeten in bezwingend darstellerischer Spielfreude. In Anbetracht der aufkeimenden Indisposition, büßte sein adäquater Tenor von erlesener Phrasierung und herrlichem Timbre etwas vom sonst gewohnten balsamischen Schmelz und lyrischen Kantilenen ein.
Unter seinen Mitbewohnern stach ganz besonders Marcello (Nikola Diskic) mit weich geschmeidigem Bariton hervor. Der junge Rollendebütant überzeugte in bester vokaler Nuancierung und darstellerischer Präsenz. Mit profundem Bass verabschiedete Valentin Anikin (Collin) von seinem wärmenden Kleidungsstück. Stimmschön mit akrobatischen Qualitäten ergänzte Raymond Ayers (Schaunard) das Quartett der WG. Bartosz Urbanowicz agierte als süffisanter Hausherr Benoit und verlegen duldsamer Alcindoro. Rollendeckend fügten sich Kyung –Rak Jeong (Parpignol), Giorgi Bekaia (Verkäufer), Hyun-Seok Kim (Sergeant), Stephan Somburg (Zöllner) ins turbulente Geschehen.
In bester Tonführung und agilen Tempi setzten sich der Kinderchor (Anke-Christine Kober) sowie der Chor des NT (Anton Tremmel) in Szene.
Das auffallend jugendlich-durchsetzte Publikum bedachte alle Beteiligten mit Jubel und langem Beifall.
Gerhard Hoffmann