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MANNHEIM/ Nationaltheater: JAKOB LENZ von Wolfgang Rihm. Neuinszenierung

23.12.2021 | Oper international

Nationaltheater  Mannheim:  JAKOB LENZ von Wolfgang Rihm.   NI  22.12.2021

lenz
Vorne Joachim Goltz, Josefin Feiler, (c) Christian Kleiner

Am Nationaltheater Mannheim wird Jakob Lenz von Wolfgang Rihm ( UA in Hamburg 1979) nach 1996 zum zweiten Mal in einer  Neuinszenierung gegeben, diesmal von Calixto Bieito. Bieito zeigt Lenz eher als extremen Expressionisten, der nach einer verhetzten Wanderung, bei der er angeblich Stimmen hört, vom Zuschauerraum in die Bühne quasi einbricht, sich seiner Jacke und seines Hemds entledigt und sich in die Hand seines Freundes Oberlin im Elsaß begibt. Dort liegen die Beiden eng ineinander verkrampft längere Zeit auf dem Boden am vorderen Bühnenrand. Dahinter befindet sich ein großes Podest, mit einem Weidenstöcken darauf, die Lenz später herausreißt bzw. abklappt. In diesen kahlen Wäldchen sitzt das Kammerorchester als das Herz des gesamten Bühnenbilds mit 10 Spielern (Celli, 2 Oboen, Klarinette, Fagott, Trompete, Posaune, Schlagzeug + Cembalo). Um das Podest herum eine Art White Wall Galerie, wo Lenz später auch Hieroglyphen und Sprüche malt. Diese Bühne stammt von Anna-Sofia Kirsch. Die Handlung wird in 13 Bildern ‚erzählt‘. Es sind aber eher Zustände und Befindlichkeiten Lenz‘, dessen psychischer Zustand sich schnell verschlechtert, und die ineinander fließen. Zu der gewichtigen Figur de Oberlin, der Lenz noch zu künstlerischem Schreiben auffordert, tritt ein Disput mit seinem Studienfreund Kaufmann, der ihn aber in seinem Wahnsinn nicht begleiten kann und ihn auffordert, zu seinen Eltern zurückzukehren. Die Stimmen, die ihn beherrschen, sind durch sechs SängerInnen personifiziert, die am Rand des Podiums zusammen mit Kindern des Kinderchors agieren. Über weite Strecken bestimmt Lenz die Obsession zu einer Friederike, offensichtlich die Ex-Freundin Goethes Friederike Brion. Er scheint in sie verliebt zu sein und imaginiert ihren Tod, und tatsächlich sieht er sie unter dem  Podium auf einer Bahre liegen und versucht sie wieder zu erwecken. Nachdem das nicht gelingt, trägt Kaufmann die Leblose fort. Natürlich fängt dieses Podium samt Orchester sich auch mal zu drehen an. Oberlin, der  im karierten Baumfällerhemd Holz hackt, Kaufmann im blauen Dichter-Look, die Damen zumeist in bunten kurzen Kleidern, Lenz durchgehend mit freiem Oberkörper: die Kostüme stammen von Paula Klein.

Die wenig eingängige atonale Musik Rihms soll gewollt zur Verstörung optimal beitragen, und tut es auch in dieser Interpretation. Der Komponist meint, er könne für das Kammerorchester komplexer strukturiert und verästelter komponieren,  das vermittelt sich aber nicht. Dirigent Franck Ollu versucht die Instrumente manchmal der kruden Story gemäß aufzupeitschen.

Die Titelfigur wird sehr nachdrücklich und mit größtem Einsatz von Joachim Goltz gestaltet. Manchmal hat man aber mehr einem Berserker in Körper und gleißender Stimme vor sich als  einen äußerst sensiblen gescheiterten Dichter, der immerhin die bürgerliche Tragödie „Die Soldaten“ erschaffen hat, die von B.A Zimmermann zu einer der größten Opern des 20.Jahrhunderts avancierte.

Den Oberlin gibt Patrick Zielke mit plastischem geführtem Bariton, der gut zu Goltz‘ klarer gerader Stimme kontrastiert. Den Kaufmann gibt tenoral Raphael Wittmer, mit seinem feinen Belcanto kommt er vielleicht einem Dichter nahe. Die Frauenstimmen wirken gut melismiert. Marie-Belle Sandis, Maria Polanska, Josefin Feiler und Rebecca Blanz (sind außer Sandis und Feiler Mitglieder des Opernstudios), die männlichen Stimmen zeichnen Serhii Moskalchuk und Marcel Brunner. Die gut farblich integrierten Kinderstimmen sind von Anke- Christine Kober einstudiert.

Friedeon Rosén

 

 

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