Mannheim: IDOMENEO am 16.7. 2016 Premiere
Als Eröffnung der diesjährigen Mannheimer Mozart Festspiele fand am Nationaltheater die letzte Saisonpremiere Idomeneo statt.
Musikalisch wird sie von GMD Dan Ettinger geleitet, der Mannheim jetzt verläßt und alles daran legt, den letzten Mozartfespielen in seiner Ägide noch mal Glanz zu verleihen. Er hält das Orchester dazu an, schon ganz frühromantisch zu musizieren, was bei diesem relativen Frühwerk Mozarts für München völlig erlaubt zu sein scheint. D.h., es werden die starken Gefühle Vaterliebe, Verurteilung zum Sohnesmord, aber auch Geschlechterliebe mittels starker Rubati erreicht, und durch teils larmoyantes Ausmusizieren werden die Klänge zusätzlich aufgeladen. Dabei erreichen die Streicher oft einen samtig massiven Wohllaut, und die Holzbläser tun sich durch schönst ausgezirkelte Einwürfe hervor, während es den Hörnern obliegt, mit butterweichem Klang die romantische Atmosphäre zu generieren.
Ingo Kerkhof läßt auch spannende Personenführung aufkommen, z.B. wird das Auftauchen Idomeneos nach dem trojanischen Krieg geschickt durch eine andere Person, die dann auf dem Boden liegt, verzögert. Auch die Annäherung Ilia – Idamante wird subtil gestaltet. Die größere Linie stellt sich in Zusammenhang mit dem Bühnenbild ein. Eine große heruntergekommene Halle des Königspalast (Dirk Becker) gibt den Rahmen, die besonders durch ein Auftrittsportal gekennzeichnet ist, durch das schnelle Auftritte, auch des Chores, gewährleistet sind . Ein Huldigungschor für Idomeneo wird noch in witziger Weise von Francesco Damiani, dem die Einstudeirung oblag, höchstselbst dirigiert. Dazu passt auch ein Billardtisch, an dem sich Idomeneo vorerst ablenkt, der aber später zum Opfertisch mutiert. Nach dem Einbruch des zweiten Unheils sind alle Akteure weiß im Gesicht gefärbt, auch dem König steht diese Krise ins Gesicht geschrieben, der sich vorher auch schon seiner Stimmung durch wild auf die Wand auftragene Farbe Ausdruck gegeben hatte. Bei Inge Mechert sind die Männer eher in private Kostüme bei heraushängenden Hemden über saloppen Hosen gezeichnet, während die Frauen Ilia und Elettra Uniformmäntel tragen. Der Königsmantel, dessen sich Idomeneo schnell entledigt, wirft sich später die dazugesellte „Unbekannte“ (Giorgia Cappello) um, die auch deutsche Texte zu „Idomeneus“ rezitiert. Für besondere Stimmungen und Gefühlsveränderungen kann der Regisseur auch auf die Lichtwechsel von Sebastian Alphons vertrauen.
Den Arbace gibt mit gut gepflegtem Legatisimo Tenor James Elliott.Der Oberpriester ist in derselben Stimmlage obertonreich David Lee. Die Elettra, deren atridische Wildheit hier eher gezügelt erscheint, wird von Cornelia Ptassek stimmlich teils herausgeschleudert und sehr ausgereizt. Im Gegensatz zur Ilia der Eunju Kwon, die alle stimmlichen Farben auslotet und ein berückendes Porträt zeichnet. Juhan Trulla ist stimmlich gar nicht so souverän als Idamante, sein Tenor wirkt oft verengt und verinnerlicht, in der Höhe wechselt er gern auch ins Falsett. Später, bei Ilias Gegenliebe, wirkt er souveräner. Idomeneo, Mirko Roschkowski, ist ein Tenor mit guter und leicht beschwingter Höhe, der mit seinen Posen und hilfeheischender Gestik als geschlagener Vater die Partie verkörpert. Mit den Koloraturen in der großen Arie kommt er allerdings weniger zurecht, sie wirken nur angedeutet und nicht ausgesungen.
Friedeon Rosén