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MANNHEIM/ Nationaltheater: DON CARLO. Wiederaufnahme

06.05.2019 | Oper


Miriam Clark, Nicola Diskic, Julia Faylenbogen. Foto: Hans-Jörg Michel.

Mannheim: „DON CARLO“ – WA 05.05.2019

Fand die szenische Kontroverse des Teams Jens-Daniel Herzog (Regie), Mathis Neidhardt (Bühne), Verena Polkowski (mit dem Bühnenbildner – Kostüme) zur Premiere anno 2013 beim Publikum wenig Gegenliebe, auch ich mied danach dieses absurde Panoptikum, lediglich die neue interessante Sänger-Riege lockte mich abermals zur WA des „Don Carlo“ (Giuseppe Verdi) als Privat-Besuch ins Nationaltheater.

Bis auf die Vertreter Philipp und Großinquisitor und wenige Nebenrollen hatten alle Künstler  ihre beachtlichen Rollen-Debüts und adelten die Aufführung  mit ihren hervorragenden Glanzleistungen zum gloriosen FOA, die späteren Gäste hierfür müssen sich „warm anziehen“ diesem Niveau standzuhalten.

Das bis in kleinste Rollen hervorragend besetzte Sänger-Ensemble wurde von dem jungen Bariton Nikola Diskic angeführt. Überreich an klangvoller Intonation, mit weich herrlichem Timbre gesegnet verströmte der Sänger sein kostbar-balsamisches Material und überzeugte mit allen Vorzügen eines echten Verdi-Baritons. Stets auf eleganter Linie mit noblen Valeurs, vorbildlicher Diktion schenkte Diskic seinem Posa darstellerisches Format, charakteristische Noblesse während den Duetten mit Carlo, seiner Abschiedsszene sowie  dramatischen Aplomb zur Begegnung mit Philipp und avancierte verdient zum umjubelten Publikums-Favoriten.


Irakli Kakhidze (Carlo), Nikola Diskic (Posa). Foto: Hans-Jörg Michael

Einen weiteren Glanzpunkt seines Repertoires fügte Irakli Kakhidze mit dem Carlo hinzu und setzte vokale Akzente von besonderer Art. Gleichwohl in allen Szenen

faszinierte der georgische Tenor mit raffiniert-perfekter und eleganter Stimmführung. Emotional, dynamisch verkörperte Kakhidze den labilen und dennoch willensstarken Infanten,  bezauberte mit wunderschönen Kantilenen und servierte auf hohem Niveau virtuose Spitzentöne voll pulsierender Energie. Stilistisch harmonierend entfaltete sich das herrliche Timbre insbesondere beim Final-Duett zunächst in hymnischer Ekstase, sodann in bewegender Askese resignierend. Eine tenorale souveräne Glanzleistung des aufstrebenden Sängers ohne jegliche Effekthascherei.

Verdis Wunsch Gesang in der Oper möge immer ein sinnlich-glühender Spiegel der Seele sein erfüllte Miriam Clark als Elisabeth auf stringente Weise und symbolisierte zudem eine empfindsame und auch konsequente unglückliche Königin. Ihr perfekt sitzender Sopran schwang sich zu feingespannten Atembögen in mühelos schattierte  Höhen und konnte zudem in uneingeschränkter Musikalität, herrlichen Piani und weich timbrierten Stimmfarben überzeugen. Einfach großartig – auf ihre Trovatore-Leonora darf man sich bereits heute freuen.

Ihren hohen Mezzosopran ließ Julia Faylenbogen beim Schleierlied flexibel vibrieren, schenkte ihrer Eboli-Interpretation während der Gartenszene dunkle satte Dramatik, profilierte ihre gute Technik während der expressiven Passagen zu O don fatale und stieß lediglich im Obertonbereich an ihre vokalen Grenzen.

In subtiler Gestaltung, geschmeidiger Vokalise präsentierte Sung Ha den Philipp, bewahrte im dezenten Spiel stets Noblesse und erfüllte die Partie mit balsamischem Wohlklang dank seines prächtig aufblühenden Basspotenzials. Markant, volltönend setzte Thomas Jesatko seine  Bassreserven ein, wuchs über sich selbst hinaus und verlieh dem Großinquisitor eine  vokal erschreckende Gefährlichkeit. Eindrücklich, kultiviert erklang die dritte schwarze Stimme während der kurzen Mönch-Passagen (Ivo Stanchev).

Mit silberhellem Timbre verlieh Amelia Scicolone dem Tebaldo kecke Burschikosität, engelsgleich verhieß die Stimme (Natalija Cantrak) den sechs flandrischen Deputierten die himmlische Erlösung. Sichtlich verjüngt und sehr schönstimmig kamen jene Ke An, Valentin Anikin, Kabelo Lebyana, Richard Eunwon Park, Matthias Tönges, Reuben Willcox daher. Koral Güvener schenkte Lerma/Herold gehaltvolles Profil.

Virtuos, prächtig disponiert in vokaler Präsenz agierte der von Dani Juris bestens vorbereitete Chor und Extrachor des NTM während der komplexen Massenszenen.

Erfreulich erfrischend erklang das Orchester des NTM unter der temperamentvollen Stabführung von Benjamin Reiners zu Verdis kollektivem Meisterwerk. Transparent ließ der dynamische Dirigent seinen bestens disponierten Klangkörper farbenreich, instrumental, subtil aufspielen, war den Sängern stets ein verlässlicher Begleiter. Zu trefflich ausbalancierten Tempi voll ungeheurer Plastizität verstand es Reiners die überwältigende Partitur auch beim heiklen Autodafé  klangtechnisch bestens koordiniert und dramatisch effektvoll auszukosten.

Das Publikum war begeistert und feierte alle Beteiligten mit herzlicher Zustimmung und Bravochören.

Gerhard Hoffmann

 

 

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