Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MANNHEIM/ Nationaltheater: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG. Premiere

Eva und Stolzing verschwinden im Raumschiff Enterprise

30.10.2018 | Oper

Nationaltheater Mannheim: Die Meistersinger von Nürnberg,  Premiere vom 28.10.2018

Eva und Stolzing verschwinden im Raumschiff Enterprise

 Regie, Bühne und Kostüme: Nigel Lowery in Personalunion

Dramaturgie: Cordula Demattio und Albrecht Puhlmann

Szenenbild aus "Die Meistersinger von Nürnberg"
Copyright Hans Jörg Michel   !. Akt  Chor NTM

 Eine Comedy-Show mit märchenhafter Ausstattung und farbenfrohen Kostümen.

Mancher erfahrener Premierenbesucher wird sich ungläubig die Augen gerieben haben, weil er nicht einordnen konnte, was er zu sehen bekam. Handelt es sich um eine Parodie mit märchenhaften Elementen, ein modernes Kasperletheater, ein futuristischer Hinweis auf das Raumschiff Enterprise oder vielleicht um einen zufälligen Einfall, deren Auflösung später erfolgen soll?

 

Gleich zu Beginn sieht man im Zuschauerraum Beckmesser beim Anprobieren seines Kostüms für den bevorstehenden Auftritt. Nachdem er eine Rabbiner Robe anprobiert hat, entscheidet er sich letztendlich für die schwarze Robe eines Pastors mit entsprechender Schleife. Auf der Bühne sieht man die Säulen der Katharinenkirche, es werden verschiedene Heiligenfiguren über die Bühne getragen und besonders auffällig ist ein Sarg, der augenscheinlich von Katholiken permanent auf der Bühnenfläche zu sehen ist. Ein Besucher meinte, dass es sich eventuell um den kranken, inzwischen verstorbenen Meister Niklaus Vogel, handeln könne.

Auch ist man verwundert, warum die Eva sich wie die Olympia aus Hoffmanns Erzählungen bewegt, also wie eine Person ohne eigenen Willen. Außerdem gerät die Katharinenkirche plötzlich ins Schwanken und am Ende taucht überraschend ein Prospekt auf, der mit dunklen Gewitterwolken bemalt ist, was darauf hindeutet, dass im folgenden Akt noch mehr Überraschungen auf den Besucher zukommen werden. Die Aufzählung ließe sich im großen Maße fortsetzen, wenn man ins Detail gehen würde.

Bildergebnis für nationaltheater mannheim die meistersinger von nürnberg
Copyright: Hans Jörg Michel  3.  Akt, Tilmann Unger (Stolzing), Marie-Belle Sandis (Magdalene), Thomas Jesatko (Sachs), Astrid Kessler (Eva), Christopher Diffey (David)

 Auf den ersten Blick mögen diese Schilderungen sinnlos erscheinen, aber bei näherer Betrachtung wird dem Besucher klar, dass in vielen Fällen ein ernsthafter Hintergrund vorhanden ist.

Das mittelalterliche Nürnberg ist vom Lutherischen Protestantismus geprägt und wer die vielen Zitate kennt, die Luther über das Frauenbild geäußert hat, wird die sonderbare Haltung der Eva verstehen. Das Herumtragen des Sarges bedeutet demzufolge, dass es für ein Begräbnis nach katholischen Brauchtum keinen geeigneten Platz gibt.

Im dritten Akt bei der Festwiese, sind die Meistersinger im Zuschauerraum auf den Seitenlogen postiert und der Besucher wird stattdessen mit dem Volk, die in den verschiedensten Kostümen auftreten, konfrontiert. Ursache hierfür ist der Vorschlag von Hans Sachs im ersten Akt, man solle einmal im Jahr bei dem Sängerwettstreit das Volk entscheiden lassen, das nichts weiß von der Tabulatur. Warum aber am Ende Stolzing und Eva mit dem Raumschiff den Planeten verlassen möchten, bleibt allerdings ein Rätsel.

Bildergebnis für nationaltheater mannheim die meistersinger von nürnberg
Copyright: Hans Jörg Michel      Ensemble

 Beim Vorspiel zum dritten Akt und dem Wahnmonolog muss auch die Komik passen.

Bekanntlich ist diese Szene von großer emotionaler Melancholie geprägt, sodass hier kein Platz für komödiantische Momente vorhanden ist. Dem hat die Regie Rechnung getragen und versucht, ein anderes Bild von Hans Sachs zu zeichnen. Sachs bezeichnet sich im Fliedermonolog als “arm einfältig Mann”. Er ist in die Rolle eines Hausmeisters oder eines Bürohelfers geschlüpft und will herausfinden, warum die Menschen falschen Idealen hinterher laufen.

Es gibt sicherlich viele Besucher, die sich mit dieser Art Genre nicht anfreunden können, dazu ist die Erwartungshaltung zu unterschiedlich. Beim Schlussapplaus gab es für die Regie keine Buhrufe, was darauf zurück zuführen ist, dass das Publikum den Einfallsreichtum und die handwerkliche Umsetzung der Inszenierung honoriert hat. 

Meisterlich das Orchester des Nationaltheaters Mannheim mit ihrem GMD Alexander Soddy.

  Alexander Soddy hat mit dem Orchester unbestritten für die positive Überraschung gesorgt. Dieser wohl temperierte Klang aus dem Graben war schon bei der Ouvertüre richtungsweisend für das ganze Werk. Man spürte förmlich das Geschehen im mittelalterlichen Nürnberg, besonders auch das Zusammenspiel der Streicher mit dem Blech im dritten Akt. Er bringt das Pathos, das reichlich in der Partitur vorhanden ist, wirksam zum Erklingen. Selbst der akribische Sixtus Beckmesser würde mit der Kreide wenige Fehler markieren können.

Für den Großteil des Ensembles war der Abend ein Rollendebüt. 

Thomas Jesatko als Sachs, hat für diese Mammutpartie seine Kräfte klug eingeteilt und bis zum Ende sein Stimmvolumen beibehalten. Sein Kollege Sixtus Beckmesser, Joachim Goltz, war mit seiner ausgereiften Charakterstimme der große Gewinner, während der Stolzing, interpretiert von Tilmannn Unger, manchmal im oberen Stimmbereich seine Probleme hatte. Christopher Diffey als David glänzte sowohl stimmlich, wie darstellerisch und bekam zurecht am Ende den verdienten Applaus. Leider musste die Interpretin der Eva, Astrid Kessler, mit ihren unnatürlichen Bewegungen ein wenig die Nerven der Besucher strapazieren, aber dafür überzeugte ihr höhensicherer Sopran vollends.

Die übrigen Sängerdarsteller und der Chor unter der Leitung von Dani Juris rundeten den musikalischen Bereich ab.

Weitere Termine für das Jahr 2018: 1. 11.2018, 10. 11. 2018, 25.11.2018

Franz Roos

 

 

Diese Seite drucken