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MANNHEIM/Nationaltheater: DIE FRAU OHNE SCHATTEN. Derniere

13.01.2020 | Oper

Bildergebnis für mannheim die frau ohne schatten
Catherine Foster (Färberin), Julia Faylenbogen (Amme), Miriam Clark (Kaiserin). Foto Hans-Jörg Michel

Mannheim: „DIE FRAU OHNE SCHATTEN“

Derniére 12.01.2020

Zur  WA „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss zum 100jährigen Geburtstag seines Meisterwerkes berichtete ich bereits, von der 5. Vorstellung gab ebenso unser junger Kollege Fabian Kropf seiner Begeisterung freien Lauf. Ich erlebte von den insgesamt sechs Aufführungen „nur“ fünf und heute letztlich die Derniére. Es steht in den Sternen wann oder ob diese Produktion jemals wieder über die Bühne am Nationaltheater gehen wird? Eines stand jedoch heute fest, alle anwesenden Freunde waren sich ohne Ausnahme einig, dass diese  Vorstellung bedingt trotz aller musikalischen Leistungen davor, das Beste und bis dato der absolute Spielzeit-Höhepunkt war. Man gewann den Eindruck alle Künstler fühlten sich zu absoluten Höchstleistungen inspiriert und ließen das Publikum im bis auf wenige Plätze des ausverkauften Hauses am narkotischen Aphrodisiakum des Außergewöhnlichen teilhaben.

Oft übersteigt es unsere Paragnosie nach grandiosen Darbietungen ob Gradationen möglich wären? In der Tat unglaublich aber wahr, das Wunder geschah! Man(n) ließ sich von den optischen und vor allem den akustischen Fakten erneut be(ver)zaubern und berühren. Erlebte ich vor einer Woche Wagners „Tristan“ als „Opium“-Rausch, versetzte mich heute die Strauss´sche „FroSCH“ regelrecht in taumelnde Verzückung – au wei insgeheim stelle ich oft die Frage: wo wird das noch enden? Ganz besonders denke ich zurück an Aufführungen der späten 1970er Jahre mit der damaligen Sänger-Weltelite welche glücklicherweise auf Tonträgern gebannt, der Nachwelt bis dato erhalten blieben. Glaubte man „damals“ Steigerungen sind nicht mehr möglich? Bescherten qualitativ hochrangige Aufführungen Glücksgefühle der besonderen Art, begegnete uns manche. Kaiserin später erneut als Färberin. Wahrlich die heutige elitäre Aufführung kündete von wunderlichen Steigerungen. Eine Freundin aus Berlin flog 2x nach Wien zur „FroSCH“, ich meinte scherzhaft: Du hast keine Ahnung was hier am NT „abgeht“, sie folgte dem Ruf des Falken und äußerte sich danach: Orchester und Dirigat alle Achtung! Die Sänger empfand SIE in Mannheim besser!

Doch nun endlich zum eigentlichen Sujet! Es war bisher einfach wunderbar zu erleben wie sich Debütanten nach sechs Aufführungen in ihren Rollen-Identifikationen zur Perfektion entwickelten dem gebührt allerhöchsten Respekt. Con grandezza der komplizierten Partien gewannen die drei Frauen-Hauptpartien naturgemäß die Oberhand. Miriam Clark schenkte der Kaiserin lyrischen Schmelz sowie mit ihrer phänomenalen Technik und stilistischen Sicherheit den dramatischen Momenten zu stets klangvollen Höhenflügen, die geisterhafte irreale Symbolik. Auf unvergleichliche Weise steigerte sich Catherine Foster in die Emotionen der Färberin. Ihr warmer, fraulich herrlich timbrierter Sopran entfaltete sich in stilistischer Sicherheit zu Vokal-Couleurs spektakulärer Intensität und behielt ob während der lyrischen Momente oder in den gewaltigen dramatischen Ausbrüchen, stets die wohlklingend-aufblühende Prädikation. Bewundernswert ebenso gelang wiederum Julia Faylenbogen das vokale Spagat im Portrait der Amme gestalterische Raffinesse, dämonische Prägnanz mit differenziert platzierten Lagen ihres leuchtenden Mezzosoprans zu paaren.


Thomas Jesatko (Barak), Catherine Foster (Färberin). Foto: Hans Jörg Michel

Wow so viel Frauenpower ließ die Herren der Schöpfung schier blass erscheinen, doch auch sie konnten punkten. Großartig lenkte Ks. Thomas Jesatko mit der ganzen Bandbreite seines herrlich timbrierten Bassbaritons auf den gutmütigen Charakter des Barak. Konditionsstark entfaltete der Sänger in fliessenden Farbgestaltungen zwischen innigen Piani und auftrumpfender Emphase seine Vokalise. Welche Extreme Richard Strauss für Tenöre in Noten fasste, spiegelt sich in der Partie des Kaisers wider. Zuweilen in schlank-lyrischer Intonation, zu expansiver Melodik, kernig leuchtender Initiative verströmte Andreas Hermann vokale „kaiserliche“ Würden. Mächtige bassgewaltige Dominanz verströmte schönstimmig Joachim Goltz. Vorzüglich prächtig nuanciert erklangen wiederum u.a., die Stimmen Natalija Cantrak (Falke), Estelle Kruger (Hüter der Schwelle), Susanne Scheffel mit herrlichem Altregister (Stimme von oben), Juraj Holly (Jüngling) sowie Ilya Lapich, Marcel Brunner, Raphael Wittmer (Baraks Brüder) und gaben den weniger tragenden Rollen dennoch gehaltvolle Konturen. Präzise formierten sich ebenso der NTM-Chor (Danis Juris) sowie der Kinderchor (Anke-Christine Kober) ins turbulente Geschehen.

Doch welche akustischen Wonnen entströmten dem NTM-Orchester unter der pragmatischen  Stabführung von GMD Alexander Soddy. Um es sogleich vorweg zu nehmen, ich empfand dieses exemplarische Dirigat als absolutes Highlight seines bisherigen Schaffens am Hause. Großartig in bewundernswerter instrumentaler Prachtentfaltung ließ Soddy sein Orchester intensiv, transparent, farbenprächtig schillernd in idiomatisch beglückenden Strauss-Tönen aufspielen. Eindringlich prägnant, hinreißend schön erklangen die Soli von Cello und Violine zum Entree der Falken-Arie sowie zur Szene am Wasser des Lebens. Überzeugend musikalisches Profil schenkten in seidigem Glanz die Streicher, die apart abgetönten Holzbläser, die leuchtenden akkuraten Blechformationen inmitten der atemberaubenden symphonischen Intermezzi und gar selbst während der überschwänglichen  Forte-Eruptionen des gewaltigen Tongemäldes. Ein Aufschrei der Begeisterung  aus über Tausend Kehlen hallte nach dem zweiten Akt-Finale durch das Haus.

Mit lautstarken Ovationen feierte das Publikum alle Beteiligten enthusiastisch, schwoll an zum Orkan beim Erscheinen von Soddy, welcher stets sein Orchester in diesen grandiosen Erfolg miteinbezog.

Dieser Abend dürfte in die Annalen des NTM eingehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt – ob wir dieser Produktion nach der Sanierungspause wieder begegnen???

Gerhard Hoffmann

 

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