Mannheim, Nationaltheater im OPAL: Kalman: DIE CZARDASFÜRSTIN, PREMIERE am 15.Juli 2025
Foto: Christian Kleiner
Operette wird an größeren deutschen Opernhäusern, wenn sie überhaupt gespielt wird, meist überaktualisiert und gebrochen, oft des Witzes beraubt und dadurch unglaublich schwerfällig.
Dass man es anders machen kann, zeigt Mannheim mit einer äußerst launigen Fassung von Emmerich Kalmans CZARDASFÜRSTIN. Regisseurin STEPHANIE SCHIMMER hat eine ausgeklügelte, den Stoff ernstnehmende, aber dennoch mit anderen Nuancen versehene Fassung erstellt, deren Wirkung sich aufs Publikum überträgt und Begeisterung auslöst. Klug sind in den Finali musikalisch Überleitungstakte eingebaut, wo sie sinnvoll sind, es gibt delikate Einlagen (eine Arie für Edwin und ein Duett für Hilda/Feri Baci) und nie hängt die Handlung durch. Fast ist der Witz und die Dialogsprache zu offensiv pointiert und es fehlen eher die intimen Momente. Gesprochen wird überhaupt sehr laut – ob es an der Akustik des Übergangstheaters OPAL liegt oder die Stimmen elektronisch zu direkt verstärkt sind, läßt sich nicht beurteilen. Die Musiknummern sind durchwegs schwungvoll choreografiert (JOHANNA BODOR) und auch das Bühnenbild von DAVIDE RAIOLA setzt klar markante und lebendige Räume, assistiert von den meist vorteilhaft geschneiderten Kostümen von FALK BAUER.
Musikalisch ist diese Aufführung alleine deshalb ein Ereignis, weil man diese Musik eigentlich sonst nie von einem derart erstklassischen Klangkörper wie dem des Orchester de Mannheimer Nationaltheaters zu hören bekommt. Geschmeidig und klangschön klingt es aus dem Graben, vielfarbig und schillernd und es deckt dennoch bei allem Tonreichtum die Stimmen nie zu.
Und auch der engagiert spielende Chor ((ALISTAIR LILEY) klingt dazu vollstimmig und rund, wie anderswo kaum zu vernehmen.
ASTRID KESSLER ist die Starsopranistin des Hauses und mit ihrer ausnehmend schönen Stimme verzaubert sie vom ersten Auftritt an. Ihr würde man in der Rollengestaltung ein paar weichere Farben wünschen. Sie soll hier als Sylva meist mäßig bis schlecht gelaunt, schnippisch oder desillusioniert sein. Sie bewegt sich exzellent und bildet so natürlich den Mittelpunkt des Geschehens. Ihr Partner CHRISTOPHER DIFFEY als Edwin kann da sängerisch nicht mithalten. Die tiefe Tessitura ist für jeden Tenor eine Herausforderung, aber seiner Stimme fehlt der Glanz und Strahl bei allem sympathischen Auftreten.
Der Publikumsliebling in dem Stück ist immer der Boni. JOACHIM GOLTZ wirft sich mit allem stimmlichen Gewicht lustvoll in die Rolle und ist wendig und wortwitzig im Dialog. Zurückhaltender, nobel singend ist der (eher deutsche) Feri Baci von THOMAS BERAU.
THERESA STEINBACH ist eine perfekte Komtesse Stasi. Spielerisch und sängerisch hinterläßt sie einen blendenden Eindruck.
Eine herrliche Typenfigur bringt Kammersänger THOMAS JESATKO als Leopold Maria auf die Bühne. Bei ihm sitzt jede Pointe. Seine Frau Anhilte (MICHAELA SCHNEIDER) überblickt die Sachlage weit besser als ihr Gemahl und harmoniert im Duett mit Feri Baci auch vokal. ILJA AKSJONOV muss den Umsympathen Rohnsdorff spielen und tut dies mit Haltung und Bühnenpräsenz. Die Mädis vom Chantant bringen quirlige Spielfreude und animierende Aufgeregtheit ins Geschehen. Und die Bühnenmusiker spielen auch im Foyer herzhaft zur Pause auf.
JANIS LIEPINS führt den Stab mit viel Empathie für die Musik. Gelegentliche Wackler sind sicher der Premierenaufregung geschuldet. Wie erwähnt ist das Orchester ein erstklassischer Anwalt Kalmas und hebt seine glühend- warmherzige Musik auf eine absolut hörenswertes Niveau.
Klug endet die Inszenierung in der letzten Minute mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in vielen anderen Regiearbeiten lähmt eine Überzeichnung dieses Themas das gesamte Stück.
Im Auditorium gibt es nach dem besinnlichen Ende dann trotzdem bald Standing Ovations. Man ist restlos begeistert in Mannheim.
Christian Konz