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MANNHEIM/ Nationaltheater: DER FREISCHÜTZ am Oster-Sonntag

18.04.2022 | Oper international

Mannheim: „DER FREISCHÜTZ“. Besuchte Vorstellung am Oster-Sonntag – 17.04.2022


Foto: Nationaltheater Mannheim

Das ist kein April-Scherz! Nach vielen Jahren Abstinenz wieder „Der Freischütz“ die wohl romantischste deutsche Oper von Carl Maria von Weber am Nationaltheater jedoch apokalyptisch in Szene gesetzt vom KOMMANDO HIMMELFAHRT! Für die neue Textfassung, Konzept & Regie war das Team Thomas Fiedler, Jan Dvorak, Julia Warnemünde verantwortlich, man könnte auch den Slogan zitieren: viele Köche verderben den Brei? 2048, nach einem Bürgerkrieg liegt Deutschland in Trümmern. Die Theatergruppe KOMMANDO HIMMELFAHRT (meiner Meinung nach erlitt auch sie während der Kriegswirren erheblichen Schaden) verlegte die düstere Geschichte vom braven Jägerburschen Max, der für den einen, entscheidenden Treffer seine Seele verkaufen muss, in eine dystopische Zukunft. Ein Märchen über Wissenstransfer, Aberglauben, Rituale und gesellschaftliche Zwänge. Nun gewiss habe ich die provokante Konzeption des Teams wohl verstanden, was sie allerdings mit der Freischütz-Textur gemein hätte, wollte sich meinem alten Geist nicht erschließen. Wie denn auch sei, ich muss mir diesen privat besuchten Fauxpas nicht erneut antun. Die Bühne (Heike Vollmer) größtenteils ein vermüllterWald  mit digitalem Schrott und Leichen, dazu ein epochaler Kostümmix (Kathi Maurer) Hauben und Kapuzenmäntel für die Damen, die Herren mit ihren schauderhaften Perücken entsprangen der Rembrandts Nachtwache, illustrativ ausgeleuchtet von Florian Arnholdt, geriet die Szenerie zum unfreiwillig komischen Mummenschanz. Auf weitere Angaben um die Geschehnisse verzichte ich mutwillig. Verschloss ich bar des gewöhnungsbedürftigen unsinnigen Spektakels zuweilen die Augen, hielt ich umso mehr die Ohren frei für das Wesentliche, für die Musik.

Ein renommierter italienischer Dirigent mit bester internationaler Vita (Roberto Rizzi-Brignoli) stand am Pult des Nationaltheater Orchesters weckte Hoffnungen besonderer Art, doch wie so oft im Leben wurden diese auf enttäuschende Weise zunichte. Ob nun Maestro mit der deutschen Romantik weniger vertraut oder war es lediglich eine Fehldisposition der Intendanz ihn zu engagieren? Viele Fragen blieben unbeantwortet offen. Wie denn auch sei, wie man öfters zuvor erlebte entsprechen nicht alle Werke gleichwohl dem Sentiment der Künstler. Nun musste man sich unwillkürlich an die ungewohnt breiten spannungslosen Tempi gewöhnen und meinen Einwänden zum Trotz durfte man den transparenten Klängen des in allen Instrumentalgruppen vorzüglich musizierenden NTM-Orchesters lauschen. Forsch zuweilen im Forte ausufernd die Bläsersegmente setzte Brignoli konträr weiche Streicherklänge, insbesondere seidig schimmernde Celli-Streicheleinheiten.

Der sangliche Lorbeer des Abends gebühnte ohne Zweifel Viktorija Kaminskaite, in mädchenhafter Leichtigkeit der Stimmführung entsprach sie vollends dem Idealtyp der Agathe, statte sie mit schönem legato, strahlenden Aufschwüngen ihres ebenmäßig geführten Soprans aus und betörte insbesondere mit dem sphärisch, in schlichter liedhafter Eleganz vorgetragenen Und ob die Wolke sie verhülle.

Ihr zur Seite das quirlige Ännchen von Seunghee Kho, süffisant mit dem Schalk im Nacken erzählte sie keck vom Kettenhund Nero mit jugendlich frischen Soprantönen. Herzallerliebst schönstimmig wand das Brautjungfern-Quartett (Rebecca Blanz, Maria Polanska, Tizia Hilber, Katharina Hermanns) vokal verstärkt vom Damenchor den Jungfernkranz aus veilchenblauer Seide. In männlich differenzierter Entfaltung präsentierten die Chor-Herren den Jägerchor.

Kommt ein schlanker Bursch´gegangen  sinnierte Ännchen, für wahr kam er daher in Gestalt von Jonathan Stoughton und avancierte zum vokalen Ideal des Max. Vorzüglich erklomm sein herrlich timbrierter Tenor die strahlenden Höhen, verlieh der Partie mit kerniger wohlklingender Mittellage in bester Intonation die männlich herbe Note. Auf vortreffliche Weise verstand es der intelligente Sänger die lyrischen Sequenzen mit dramatischen Zwischentönen effektvoll zu kombinieren.

Joachim Goltz bot als Jäger Kaspar, einem Naturburschen voll Saft und Kraft ein darstellerisches Kabinett-Stück in Verbindung seines volltönenden, bestens phrasierenden, helltimbrierten Bassbaritons. Zu reifer Bassfülle portraitierte Ks. Thomas Jesatko den Erbförster Kuno. Majestätische Autorität sowie sonore baritonale Würde schenkte Thomas Berau dem Fürsten Ottokar. Mahnende schöne Töne vernahm vom Eremiten (Marcel Brunner), in dunklem Wohlklang ergänzte Serhil Moskalchuk das Sänger-Ensemble.

Bestens rezitierte Astrid Meyerfeldt als /Samiel/Melisa die langen jedoch völlig überflüssigen Zwischen-Monologe.

Das Publikum des nur halbvoll besetzten Hauses bedachte alle Mitwirkenden mit herzlicher Begeisterung.

Gerhard Hoffmann

 

 

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