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MANNHEIM/ Nationaltheater: CARMEN

25.11.2014 | Oper

Nationaltheater Mannheim: CARMEN am  24.11.2014

 Gabriele Rech hat in ihrer aus 2009 stammenden behutsam modernisierenden Inszenierung unter weitgehendem Verzicht auf spanische Folklore zwei psychologisch motivierte erhellende Aspekte eingebacht, die die Figur des Don José betreffen. Dieser steht von Beginn an statuarisch an der Rampe mit schwarzer Augenbinde um den Kopf und erwartet seine Hinrichtung. In dem Augenblick, in dem Carmen ihm die Blume zuwirft, die ihn „wie eine Kugel zwischen die Augen traf“, greift er ins Geschehen ein und wird Mitträger im weiteren Verlauf der Oper von G.Bizet. Auch die direkt folgende Szene führt noch tiefer in seine Erinnerung. Er trifft Micaela in der Stube seiner Mutter, die eben aus der Bühnentiefe hochgefahren kommt, an Stelle, wo gerade noch die Tabakfabrik stand  (Bühnenbild: Sandra Meurer). Deren Boden ist übersät mit Erinnerungsschnitzeln von Briefen, und man sieht sogar in eine kleine erkerartige Schlafnische mit Kreuz überm Bett, was fast surreal anmutet. Gabriele Rech vertritt die These, daß Don José eigentlich Carmens ‚große Liebe‘ ist, da er ihr anders als alle Männer erscheint. Den Widerspruch, warum sie nicht bei ihm bleibt, obwohl er alle Brücken zu seinem vorherigen Leben abbricht, kann sie aber auch nicht auflösen. Natürlich zeigt sie José auch stark ‚besitzergreifend‘, aber wirklich Liebe hat ja immer auch mit ‚Besitz‘ zu tun.

 Die gutbesuchte Aufführung war als ‚Solidaritätsvorstellung‘ ausgewiesen. Es spielte das Symphonieorchester der Musikhoschule Mannheim, die von einschneidenden finanziellen Kürzungen bedroht ist, und machte seine Sache sehr gut.  Besonders die solistisch eingesetzte Flöte und Picccoloflöte, Klarinette und auch verschiedene Blechbläser  bliesen virtuos und mit Animo, wie auch die fatalen Schicksalstellen gekonnt unter der Leitung Joseph Traftons vom Nationaltheater genommen wurden. Gespielt wurde in der heute immer üblicher gewordenen Fassung mit französisch gesprochenen Zwischentexten, wie  von Bizet in seiner ‚comique‘ intendiert und ohne die anderweitig hinzugefügten Rezitative.

 Chor, Extrachor (Anton Tremmel) und Kinderchor (unter Anke-Christine Kober) hatten großartige Auftritte, in 4.Akt alle auf der total leeren Bühne. Gunter Möckel gibt prägnant den Lillas Pastia im Kurzdialog mit Carmen. Dancairo(Raymond Ayers) und Remendado (Raphael Wittmer) kammen szenisch markant zum Einsatzund vertraten die gute Männerseite des Gesangsquartetts mit Mercedes (Ludovica Bello mit etwas sprödem aber farbreichem Mezzo) und Frasquita (Vera-Lotte Böcker mit fein-perlendem Sopran), beide auch tänzerisch agil und gut inszeniert in der Kartenszene. Der Morales ist Joachim Goltz mit metallenem Bariton und deftigem Zugriff auf Micaela bei deren ersten Auftauchen. Der anderere Soldat Zuniga Magnus Piontek kann sich mit dunkel autoritativem Baß nicht nur im Rang von ihm absetzen. Der Escamillo kommt schon fast in der Lichtgestalt des Bartosz Urbanowicz daher, auch mit ausreichend stimmlich baritonalen Mitteln. Cornelia Ptassek überzeugt mit ihrem wie Platin timbrierten Sopran – eine weiße Erscheinung wie aus einer anderen Welt. Roy Cornelius Smith  scheint die Rolle des Don José wie auf den Leib geschnitten. Er hat in der Höhe diese unglaublichen Reserven, die aufhören lassen und mit denen er elektrisieren kann. Marie-Belle Sandis setzt ihren warmen und hell-timbrierten Mezzosopran mit viel individueller Gestaltung ein und ist eine wirklich anrührende Figur, die die Szene trotz ihrer weichen Zeichnung jederzeit beherrscht.                                               

Friedeon Rosén

 

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