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MANNHEIM/ Nationaltheater: CARMEN. Premiere

08.12.2019 | Oper


 Eunju Kwon, Irakli Khakidze, Lucia Astigarraga, Jelena Kordic, Evez Abdulla,  (c)Hans- Jörg Michel

Mannheim/ Nationaltheater: CARMEN  7.12.2019   Premiere

Bei einer der meistgespielten Opern, Bizets Carmen, konnte man in den letzten Jahren öfter sinnentstellende und -abweichende Inszenierungen erleben. Nun scheint das Pendel ganz stark zurückzuschlagen. Unter der Koreanerin Yona Kim kehren alle die mit ‚Carmen‘ verbundenen Attribute zurück: Spanien-Folklore, Stierkampf, Flamenco sowie Schmuggler- und Zigeunertum sind wieder die beherrschenden wuchtigen Elemente.

Schon vor Beginn werden bühnenausfüllende Videos mit jagenden Stieren gezeigt. Bei Yona Kim mutiert der Schankwirt Lillas Pastia zu einer spanischen Dame, quasi zu einem Double Carmens, das in hartem, ja zum Teil witzig prestissimo prononciertem Spanisch Zwischentexte spricht. Sie ist wie Carmen in kurzem schwarzem Bolerokleidchen, schwarzen Strümpfen und hochhackigen Schuhen gekleidet (Kost.: Falk Bauer). Genau diese kleine Person, Lucia Astigarraga, verhindert mit ihren determinierten harrschen Auftritten, dass man sich alsbald in spanischer Folklore suhlen kann. Das verhindert auch sie Bühnenarchitekur von Herbert Murauer, die den zentralen Platz Sevillas links und rechts mit quasi faschistischen aus der Franco-Diktatur stammenden parallelen ‚Säulenhallen‘ begrenzt, die hinten von einem lautlos verschließbaren Tor verbunden sind, hinter dem sich noch Treppenpodeste befinden. Dort treten Carmen, Frasquita & Mercedes auch vor Mikrofonständern auf und gerieren sich dabei wie Bandleaderinnen. Ganz im Gegensatz zu der scharfen Aufmachung von Carmen (auch mit Federboa-Hüftrock immer schwarz-rot) kommt Micaela in einem sehr eleganten rosa Kleid an und wird von den Soldaten in diesem Ambiente gleich mal gedemütigt. Nach ihrer Szene mit Don Jose verschwindet sie aber nicht, sondern verbleibt permanent als Hauptprotagonistin. Sie hat gleich erkannt, dass Carmen ihre Rivalin ist und provoziert so auch den erbitterten Streit mit ihr bei den buntgekleideten Zigarettenarbeiterinnen. Erst ganz am Schluß verschwindet sie wieder, bevor José Carmen ersticht, und das Eisentor sich wieder dreifach (von den Seiten und von oben) vor allen Anderen verschlossen hat. Die Schmugglerszenen  davor sind aber eher oratorial inszeniert. Besonders die Szene der Stierkampfarena wirkt  in dem nun klaustrophob empfundenen Ambiente eher etwas kleinkariert. 

Musikalisch ist es natürlich schwer, die vielgespielte Carmen zu toppen. Das Nationaltheater-Orchester befleißigt sich einer angemessen klangstark stringent gespielten, in den Tänzen oft rhythmisch wirbelnden Wiedergabe. Unter Dirigent Mark Rohde, der die Zügel gestrafft hält, ergeben sich akzentreiche Klangfelder. Vielleicht hätten die fatal dämonischen Todesakkorde, die ja schon antizipiert erklingen, noch schärfer (und am Ende dröhnender) herausgemeißelt werden können.

Die Chöre fügen sich in den Gesamtklang brillant ein, hervorzuheben der virtuos fugierte Damenchor (Les cigarettieres). Auch der Kinderchor (E.: Anke-Christine Kober) tritt sehr exaltiert und in pointiert militärischer Kostümierung auf.

Die Carmen singt Jelena Kordic mit butterweichem leicht voluminösem Mezzosopran, der fein alle Verästelungen ihrer versatilen Melodiebögen auskostet. Hochgewachsen und schlank erscheint sie dabei tatsächlich wie ein Vamp, aber ein außergewöhnlich schöntimbrierter. 

Eunju Kwon steht ihr auf ihre Art als harte Rivalin, die von den Soldaten und Banditen ebenso umschwärmt wird, und die bei der 2.Arie ihre entblößten Beine streicheln, in nichts nach. Es ist aber in erster Linie ihr herrlich aufblühender Sopran, mit dem sie alle umgarnt, nur Don Jose ist schon zu sehr verrannt in seine aussichtslose Liebe. 

Er wird von Irakli Kakhidze mit seinem angenehm timbrierten Tenor gestaltet. In der Schlußszene steigert er sich wahnsinnig hinein, mit Schluchzern und schweren Rubati.

Leider ist Evez Abdulla als Escamillo gar nicht die Persönlichkeit, bei der frau/mann begreift, daß Carmen den Jose auch um seinetwillen verläßt. In keiner Minute kommt er als strahlender Stierkämpfer oder prächtiger Sänger herüber, weder als Baß noch als Bariton kann er hier auch stimmlich überzeugen. 

Nikola Hillebrand und Martiniana Antonie sekundieren Carmen als Schmugglerinnen, nicht mehr und nicht weniger (stehen leider auch was Stimm-Klangstärke angeht, im Schatten). Da erscheinen  die entsprechenden Männer Christopher Diffey und Raphael Wittmer als Tenöre zumindest szenisch schärfer profiliert. Reuben Wittcox und Marcel Brunner komplettieren als Leutnant Zuniga und Sergeant Morales.                                           

Friedeon Rosén

 

 

 

 

 

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