Mannheim: „LIEDERABEND“ – 27.05.2017
In den kühlen Räumen der Montagehalle servierte das Nationaltheater zu sommerlichen Temperaturen im Rahmen des „Musiksalons“ zwei Lieder-Zyklen Robert Schumanns. Zum Auftakt interpretierte der junge Bariton Nikola Diskic den „Liederkreis op. 39“ nach Gedichten von Joseph von Eichendorff.
In einem wahren Schaffensrausch vollendete Schumann im Mai 1840 zu eigenen Angaben: „Ich habe wieder so viel komponiert, dass mirs manchmal ganz unheimlich vorkommt. Ach ich kann nicht anders, ich möchte mich tot singen wie eine Nachtigall“ berichtete er Clara.
Die Todessehnsucht dieser Äußerung kommt in diesem Zyklus unmissverständlich zum Ausdruck.
In höchst beeindruckender Weise verstand es Nikola Diskic bar seiner Jugend die grundlegenden Leiderfahrungen eines Menschen derart farb- und facettenreich auszudrücken. Sensibel, ausdrucksstark erklangen die beiden Lieder In der Fremde ist es die Waldeinsamkeit in welchen sich die Erfahrung der Entfremdung verbinden. Die Heimat, die schöne alte Zeit sind unwiederbringlich verloren, Vater und Mutter lange tot, so auch die Liebste, deren Bild das Intermezzo und die Stille liebevoll nachzeichnen. Vom ersten Lied an faszinierte die zugleich prägnante und natürliche nie manieriert-überartikulierte wirkende Diktion des Sängers in beglückender Verbindung des samtigen bruchlos durchgebildeten Timbres sowie der Fähigkeit zu dynamischen Schattierungen im musikalischen Ausdruck.
Konträr in sensibler Linienführung des wohlklingenden Organs schenkte Diskic der Mondnacht, in der sich im mystischen Zauber die Seele von ihren Fesseln lösen kann.
Waldesgespräch und Schöne Fremde beschworen die phantastische Nacht mit ihren Zauberwesen, die versunkenen Schlösser, in denen sich der Wanderer verliert.
Nuanciert verband Diskic seinen schönstimmigen Bariton in weitgespannten melodischen Bögen und herrlichen Piani und verlieh seiner in allen Registern ausgewogenen Stimme variable Klänge und Färbungen, dass man meinte, einem vorzüglichen Erzähler zu lauschen.
Großer Applaus für den jungen talentierten Sänger auf dessen Wolfram und Don Giovanni in der nächsten Spielzeit, man sich schon heute freuen darf.
Ganz anders fernab von Traurigkeit und Melancholie stehen im „Spanischen Liederspiel“ Heiterkeit und altspanische Lyrik der Dichtungen von Emanuel Geibel im Vordergrund. In bedenklichem Ernst legte sich Schumanns zyklische musikalische Einheit über das Ganze, dass es dem Charakter einer gefälligen Sammlung von Soli, Duetten und Quartetten entsprach.
Erzählt die verbindliche Geschichte von Liebenden welche allerdings erst im 5. Lied In der Nacht zueinander finden. Estelle Kruger vereinte ihren leuchtenden Sopran konträr zur matt wirkenden Tenorstimme von Raphael Wittmer. Erwartungsvoll sehnte Kruger schönstimmig in Melancholie den Morgen herbei, tenoralen Schmelz ließ allerdings das Geständnis von Wittmer vermissen.
Eindringlich wehklagend mit feinen Mezzoqualitäten versah Maria Markina ihr Solo
Hoch, hoch sind die Berge und verschmolz eindringlich in blühendem Gestus mit ihren Duett- und Quartett-Partnern.
Anmutig und musikantisch verstand es Robin Phillips am Flügel die Solisten mal lyrisch, sensibel verhalten, heiter beschwingt und ungemein rhythmisch „orchestral“ zu begleiten.
Zum akustisch wie sichtbar trefflichen Engagements aller Beteiligten bildeten dennoch die beiden Soli Romanze und Der Contrabandiste den absoluten Höhepunkt dieser Preziosen. Wiederum auf hohem Niveau gestaltete Nikola Diskic in Perfektion, sinngebender Diktion, fein akzentuierter Rhetorik die beiden nuancenreichen Lieder.
Die begeisterte Zustimmung des Publikums bedankten die Künstler mit dem Quartett Es ist verraten zur Bolero-Rhythmik des begleitenden Instruments.
Gerhard Hoffmann