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MANNHEIM: HERCULES von Händel. Premiere

10.12.2016 | Oper

Mannheim: HERCULES/Händel  9.12. 2013 Premiere

Eunju Kwon (Iole) und David Lee (Hyllas) © Hans Jörg Michel | Nationaltheater Mannheim
Eunju Kwon, David Lee. Copyright: Hans-Jörg Michel

Als 2.Saisonpremiere bringt das Nationaltheater mit Hercules von G.F.Händel ein für England geschriebenes Oratorium bzw einen ‚Opernzwitter‘, da es doch eine gewisse Bühnentauglichkeit besitzt. Händel selbst nennt es ein ‚Musical dramatic‘. Dafür spricht die volle Wiedereinsetzung des Chores in agiler Kommentar-Funktion, was ja in den meisten Opern nicht der Fall ist, da Händel in vielen seiner Barockopern ganz auf den Chor verzichtete. Bei ‚Hercules‘ reduziert sich der dramatische Plot auf eine (eingebildete) Eifersuchtsgeschichte, was wieder eher für ein Oratorium sprechen würde.

Dessen Vorgeschichte wird im Libretto nur mit wenigen Sätzen gestreift, so daß der damalige Zuhörer gar nicht wusste, worum es ging. Eine weitere dramatische Schwachstelle ist, ob Dejaneira, die Gemahlin Hercules‘, ihren Gatten wirklich töten oder durch die Schenkung  des (vergifteten) Mantels des Zentauren Nessus, seine Liebe zu ihr wieder restaurieren will, wie  dieser ihr geweisagt hatte. Jedenfalls zeigt die Aufführung des Nationaltheaters, dass der ‚Oper‘ einige Kürzungen guttun würden, dann könnte sie sogar als vollwertige Händel-Oper  durchgehen. Die Regie und damit auch Bühne und Kostüme hat Nigel Lowery übernommen, der die Oper wegen der besonderen Hercules- Mittelalter-Rezeption kurzerhand ins gotische Mittelalter verfrachtet. Aber die Verbindung zu Jupiter scheint dann doch etwas prekär, wenn der griechische Obergott zuletzt wie Gottvater auftritt und seinen Sohn final in einer Rakete auf seinen Stern im Weltraum schießen lässt. Auch fast witzig erscheint eine Art Troubadourliebe zwischen Hercules-Sohn Hyllus und der von dem Helden als Kriegstrophäe mitgebrachten Iole, die zwischen den Schießscharten der Burg auf ihn hernieder schaut. So sprudelt Lowery vor Einfällen, die den Zuhörer besonders bei den langsamen Musikteilen bei der Stange halten. Seine Mittelalter-Roben für Damen und Herren sind auch feinste Ware. In  dem gotischen Innenhof spielt sich auch das ganze ‚Privatleben‘ der Handelnden ab.

Den Hercules singt mit geradem kräftig schönstimmigen Bariton Thomas Berau. Die Barockspezialistin Mary-Ellen Nesi ist ein versatiler Mezzosopran, der besonders in den Arien der Wahnsinnsszene zu großer Form aufläuft. Dabei wird sie vom brillant spielenden, die Seelenstimmungen nachzeichnenden Orchester unter der Leitung von Bernhard Forck, unterbrochen. Die Ensembles des NTM bemühen sich unter seiner soliden Stabführung um authentische Wiedergabe der Händelschen Musik, wenn auch das Zusammenspiel mit dem an sicht gut eingestellten Chor nicht immer optimal gelingt. Eindeutige Topsängerin ist das ‚Eigengewächs‘ Eunju Kwon als Jole, die mit leuchtend warmem Timbre ihren Seelenstimmung derart prägnanten Ausdruck verleihen kann und sich letztlich Jupiters Spruch beugt. Der ihr bestimmte Hyllus des David Lee ist ein Tenor mit feinem Timbre, der in der Partie aber auch, tagessformbedingt?, an seine Grenzen stößt. Somit kann die Damenseite zusätzlich mit Ludovica Bello punkten, die den Lichas, in der hiesigen Lesart in der Rolle eines mittelalterlichen Marschalks, genial spielt und als flexibler Mezzosopran auftrumpft. Philipp Alexander Mehr singt als Baß einen rollendeckenden Jupiterpriester.                                                                                 

Friedeon Rosén

 

 

 

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