Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

MANNHEIM/ Fationaltheater: DON CARLO – „Festlicher Opernabend“

18.05.2019 | Oper


Foto: Nationaltheater Mannheim/ Hans Jörg Michel

Giuseppe Verdi: DON CARLO am Nationaltheater Mannheim. „Festlicher Opernabend am 18.5.2019

Philipp II: Sung Ha
Don Carlo: 
Irakli Kakhidze
Rodrigo, Marquis von Posa: Ludovic Tézier
Großinquisitor: KS Thomas Jesatko
Elisabetta: Miriam Clark
Prinzessin Eboli: Marina Prudenskaja
Tebaldo: Amelia Scicolone
Graf von Lerma/Herold: Koral Güvener (Opernstudio)
Mönch: Dominic Barberi
Stimme: 
Natalija Cantrak 

 Dirigent: Benjamin Reiners

Festlicher Opernabend am 18. Mai 2019

Zeitspiele

 In der aktuellen Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis „Don Carlo“ zeigt Regisseur Daniel-Michael Herzog die ital. gesungene Fassung. Sein szenischer Grundgedanke ist dabei ein Wechselspiel der Zeiten, so sieht der Zuschauer die Kollektive in heutiger Kleidung, während die Protagonisten z.T. in historischen Gewändern agieren. Ein Sinnbild für politischen Stillstand. Die Personenführung zeigt manch ungewohntes Detail. So ist z.B. der große Monolog von König Philipp hier eher eine Zwiesprache mit Posa, der seinem König gegenüber sitzt. Posa ist auch beim anschließenden Duett mit dem Großinquisitor anwesend. Während des gesamten letzten Aktes sitzt dann der blutüberströmte tot geschlagene Posa auf einem Stuhl als Mahnmal. Dazu trägt er ein Schild „Viva la liberta“. Und es ist Posa, der am Ende die Worte von Karl V. singt. Ein ungewöhnlicher Einfall. Davon abgesehen ist das Grundkonzept dieser Inszenierung, Vergangenheit und Gegenwart zu kontrastieren, nicht überzeugend umgesetzt worden, da es zu sehr im Dekorativen verharrt. Die einzelnen Rollencharakter bleiben als Figur zu undeutlich entwickelt. Immerhin eine Grundlage also, damit sich Gäste in diesem szenischen Arrangement recht frei bewegen können.

Verdis Oper ist ein hervorragendes Vehikel, um die Leistungsfähigkeit eines Opernhauses zu demonstrieren. Und es war wieder einmal ein ganz besonderer Abend, des das Nationaltheater Mannheim seinen Zuschauern bot. Alle Partien konnten ausgezeichnet aus dem eigenen Ensemble besetzt werden. Ein eindrucksvolles Plädoyer für das Ensemble Theater! Im Rahmen des Festlichen Opernabends wurde das Ensemble durch zwei international agierende Sänger ergänzt.

In der Titelpartie war mit Tenor Irakli Kakhidze ein Tenor aufgeboten, der alles mitbrachte, was diese schwere Partie erfordert. Da ist zunächst seine stimmlich völlig mühelos und anstrengungsfreie Bewältigung der Rolle zu preisen. Dazu begeistert er mit mitreißender Emphase und völliger Rollenidentifikation. Spektakuläre Höhen und sogar mehrfach interpolierte hohes C`s am Ende der Freundschaft-Duette mit Posa begeisterten sehr. Dazu traf er auch darstellerisch treffend den Rollencharakter des Infanten. Eine großartige Leistung! Die internationale Opernwelt ist offenkundig im Tiefschlaf. Denn ein solch eminent begabter Tenor ist derart selten, dass er sogleich an den größten Häusern engagiert sein müsste. Glückliches Mannheim also, diesen herrlichen Tenor in seinem Ensemble zu haben!

An seiner Seite gab Miriam Clark eine hoheitsvolle Elisabetta. Neben sicheren Höhen, die in überzeugende Legatobögen eingebunden waren, überzeugte einmal mehr ihr Mut, das Spektrum der leisen Töne weit auszureizen. Wunderbar körperlich flutete selbst das leiseste Pianissimo in den Saal.

Marina Prudenskaja war eine stimmlich weitgehend souveräne Eboli. Die Koloraturen in ihrem „Schleierlied“ bewältigte sie spielerisch. Hingegen im „Oh don fatale“ waren die schwierigen Höhen in der Intonation etwas gefährdet. Als Rollencharakter blieb sie blass und vermochte wenig von der Zwielichtigkeit dieser schillernden Figur zu transportieren.

Stimmlicher Mittelpunkt des Abends war Ludovic Tézier als Posa! Für seine überragende Leistung ist kein Superlativ zu groß, um seine Ausnahmestellung als führender Verdi Bariton zu preisen. Dem Posa gab er viel große stimmliche Kontur und ein sehr deutliches Rollenprofil. Edle Phrasierung und ein perfektes Timing für gezielte Textgestaltung, dazu seine charismatische Bühnenpräsenz verliehen seiner Rolle viel Autorität und größte Aufmerksamkeit. Sein edler Bariton erklang absolut wohltönend und durchmaß vollendet souverän alle stimmlichen Anforderungen. Überwältigend waren seine endlosen Legatobögen. Seit den Tagen von Piero Cappuccilli hat kein Bariton derart lange Phrasen, ohne Zwischenatmung bewältigt, wie Tézier in einem perfekte dargebotenen „Per me giunto“. Ohne Frage eine Ausnahmeleistung auf einem Niveau der Weltklasse!

Wenig Autorität in Darstellung und Stimme ging von Sung Ha aus. Obwohl von großer Gestalt geriet sein König nicht wirklich zum Mittelpunkt des Geschehens. Die Stimme wirkte in der Höhe in ihrem Volumen etwas begrenzt. In seiner berühmten Arie nutzte er gekonnt eine deutliche dynamische Palette, die alle Gefühlsbereiche umfasste. Bei aktiven Artikulationsanforderungen agierte er als Gestalter hingegen zu defensiv. Zu wenig deutlich erfuhr so Elisabetta seine Zurechtweisung.

Den Großinquisitor sang der vielseitige KS Thomas Jesatko. Seine für die Partie eher zu helle Stimme konnte der Rolle viel Ausdruck geben, so dass es wirklich ein Aufeinandertreffen zweier Gewalten war. Die heiklen Höhen in diesem faszinierenden Duett zweier Bässe waren für Jesatko kein Problem. Was ihm an stimmlicher Bass-Substanz fehlte, kompensierte er mit klugen Textakzenten.

In den übrigen Rollen gefielen vor allem Amelia Scicolone (Tebaldo), Koral Güvener (Lerma, Herold) und der profunde Dominic Barberi (Mönch)

Eine große Freude waren die stramm geforderten Chöre des Nationaltheaters, die einmal mehr sehr gut von Dani Juris auf ihre vielschichtigen Aufgaben vorbereitet wurden.

Für besondere Begeisterung sorgte die Leistung des Dirigenten Benjamin Reiners, der das Orchester des Nationaltheaters geradezu furios aufspielen ließ. Klar arbeitete er die vielen Leitmotive heraus und betonte vor allem die dunklen Farben der Partitur. Aufmerksam und hellwach begleitete er die Sänger. Das Handlungsgeschehen wurde von ihm fortwährend im Fluss gehalten. Hörbar viel Freude an der Zusammenarbeit mit dem Dirigenten hatte das Orchester. Sehr aufmerksam musizierte es an allen Pulten und sorgte so für ein großes Fundament, auf welchem die Sänger sich sehr sicher bewegen konnten. Besonders zu loben sind die ermüdungsfreien Holz- und Blechbläser, die hier viel gefordert waren. Innig und ruhevoll erklang die Kantilene des Solo-Cellos im Monolog des Philipp. Herrlich trumpfte das Schlagzeug auf, was besonders der Szene im Auto-Dafé zugute kam.

Alles in allem ein packender Verdi-Abend im gut besuchten Nationaltheater Mannheim.

 Das Publikum würdigte die Vorstellung mit hörbarer großer und langer Begeisterung.

Dirk Schauß

 

Diese Seite drucken