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MANNHEIM: DIE BASSARIDEN

06.11.2015 | Oper

Mannheim: DIE BASSARIDEN am  5.11.2015

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Foto: Hans Jörg Michel

 ‚Die Bassariden‘ von Hans Werner Henze entstanden in den frühen 60er Jahren,-  Musikdrama in 1 Akt benannt – sind sie vielleicht die dramatischste Oper, in der Henze sich auch am meisten an den Musikdramatiker Wagner, der sonst gar nicht sein Vorbild war, annäherte. Nach der Zusammenarbeit mit Ingeborg Bachmann, mit der er schon so eigenwillige Werke wie ‚Prinz von Homburg‘ oder den „komischen“ Jungen Lord herausgebracht hatte, fand er in Chester Kallman und H.W.Auden zwei exzellente Mitstreiter, die ihm aus der Bakchen-Tragödie des Euripides ein englisches Libretto verfassten, das Henze in kurzer Zeit original Englisch komponierte. Auch in der revidierten Fassung 1992, die in Mannheim gespielt wird, beließ er es beim englischen Originaltext, der auch teils sehr gut gesungen und oft textverständlich daher kommt. Für die Sprache des Rationalisten Pentheus, des neuen Königs von Theben, werden z.T.  rythmisch profilierte atonale 12-Tonreihen verwendet, während für die Sphäre seines Gegenspielers Dyonysos, des Sohnes seiner verstorbenen Schwester Semele, eher tonal gefärbte Zwölftöner zum Einsatz kommen. Henze versteht es auch in der Nachfolge R.Strauss‘ und der Operprotagonisten nach dem 1.Weltkrieg irisierend filigran für Riesenorchester zu instrumentieren, wobei er auf dem Höhepunkt, der  Auslöschung von Pentheus‘ Vernunftsprinzip zugunsten des dionysischen Lustprinzips mit großflächigen bis dato unerhörten Orchesterglissandi Furore macht.

Dem Nationaltheater gelingt es, mit Rossen Gergov einen offensichtlich auch Henze-erfahrenen jungen Dirigenten zu gewinnen, der in den oft monologischen, seltener dialogischen Pentheusssphäre zu Beginn einen großen Atem mitbringt, diese  manchmal spröde anmutenden musikalischen Gestalten mit Verve zu dirigieren  und das Orchester entsprechend zu animieren. Dieses läuft zu einer grandiosen Form auf, diese auch oft angstbesetzte Musik adäquat und gültig wiederzugeben.

 Der Chor spielt eine große Rolle bei ‚Bassariden‘. Nach einer kurzen Trompetenfanfare schließt sofort ein großer äußerst intrikat gesetzter Chor der ThebanerInnen an, der die ungeheure Situation vor dem Eintreffen Dionysos, exzellent gespielt, beschreibt, und die in den „Auszug“ auf den Berg Kitheron mündet. Auch wenn die Chöre später oft nur aus dem Off zu rezipieren sind, erscheinen sie doch schönklanglich omnipräsent.

 Die sich im ganzen Stück durchziehende Zweigeteiltheit der atmosphärische Befindlichkeit beherrscht auch weitgehend die Inszenierung. Wobei Frank Hilbrich eine sehr werkgetreue Auslegung präferiert, die sonst keine Probleme aufgibt. Volker Thiele teilt die Bühne in der Horizontale. Unten der große breite Raum der arrivierten Herrschaft zu Theben, die fast wie ein ‚Bücherkasten‘ anmutet. Die in Büchern manifestierten Weisheiten werden auch immer wieder konsultiert, obwohl es im Altertum ja noch keine Bücher gab. Die Grab-Flamme für Semele wird von Pentheus ausgelöscht, links und rechts des mittigen Eingangsportals führen Treppen nach oben aber ins bühnenmäßige Nichts, nur manchmal sind die Chöre hinter dunklem Gazè etwas zu sehen. Erst wenn Pentheus Bericht erstattet wird, was auf dem Kytheron stattfindet, werden auf der gesamten Bandbreite s./w.-Videos (Sami Bill) abgespielt, die die Menschen ineinander ineinander verschlungen zeigen, das soll aber die Phantasie Pentheus‘ wiedergeben. In den Kostümen Gabriele Rupprechts wird der Gegensatz bei den Protagonisten auch in klassisch gestylter schwarz-weiß- Gewandung ausgespielt, die Choristen kommen dagegen bunt und fantastisch davon.

 Eine stimmlich gesanglich gut ausgehörte, spielerisch matt wirkende Beroe gibt Mezzo Edna Prochnik. Autonoe und Agaue, die sich in Gestalt von Eunju Kwon und Julia Faylenbogen auch ziemlich schnell auf den Kyrheron davonmachen, werden in lyrisch angenehmer Weise gesanglich vorgetragen. Den Hauptmann gibt Joachim Goltz als akkuraten Diener mit metallenem Bariton. Der Teiresias, den auch nichts mehr im Palast hält, wird tenoral von Uwe Eikötter gezeichnet. Den Kadmos, Großvater des Pentheus, singt räsonierend resigniert Tobias Schabel. Den Enkel gibt mit großer Verve und Einfühlung Thomas Jesatko mit seinem teils schneidenden wohllautenden Baßbariton, auch die von ihm so nicht gewollte Entwicklung bestens nachzeichnend. Roy Cornelius Smith ist ein passagenweise tenoral aufleuchtender bis strahlender Dionysos. Mit ihm kann der Chor trotz seiner oft vertrackten Faktur sehr gut reussieren.                

Friedeon Rosén

 Foto: Jörg Michel

 

 

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