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MANNHEIM: DER FERNE KLANG . große Oper in Mannheim

16.07.2015 | Oper

Große Oper in Mannheim: „Der ferne Klang“ von Franz Schreker (Vorstellung: 15. 7. 2015)

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Grete (Cornelia Ptassek) und Fritz (Michael Baba) vor der bäuerlichen Hütte (Foto: Hans Jörg Michel)

 Das Nationaltheater Mannheim feierte mit der Produktion der leider immer noch selten gespielten Oper „Der ferne Klang“ des österreichischen Komponisten Franz Schreker einen großen Erfolg. Dass er in Deutschland des Öfteren als deutscher Komponist bezeichnet wird (wie auch beim Einführungsvortrag in Mannheim), mag damit zusammenhängen, dass er 1920 Direktor der Hochschule für Musik in Berlin wurde und in den 1930er Jahren dort den Gipfel seiner Berühmtheit erreichte. Durch den Einfluss der Nazis musste er 1932 dieses Amt niederlegen und 1933 seine Meisterklasse an der Akademie der Künste aufgeben. Diese Ereignisse lösten bei ihm eine Herzattacke aus, der Franz Schreker am 21. März 1934 erlag.

 Die Uraufführung des musikalischen Meisterwerks fand 1912 in Frankfurt am Main statt. Die Handlung der Oper, dessen Libretto der Komponist selbst verfasste, in Kurzfassung: Der Komponist Fritz hat einen sirenenhaften Klang im Ohr, dem er durch die Welt reisend folgt, wobei er seine Geliebte Grete zurücklässt. Von ihrem oft betrunkenen Vater soll sie mit einem Gasthauswirt verheiratet werden. Grete entflieht dem Elternhaus und versucht, Fritz zu folgen. – Zehn Jahre später findet sie sich in einem Freudenhaus wieder, wo sie einen Wettbewerb anregt. Jener Mann, der sie am stärksten von ihrer Liebessehnsucht ablenkt, soll sie als Preis bekommen. Als Fritz kommt, wird Grete klar, wer der Sieger dieses Wettbewerbs wird. Doch als dem Komponisten bewusst wird, an welchem Ort er sich befindet, stößt er seine ehemalige Liebe von sich. – Einige Jahre später treffen sie einander nochmals. Grete ist als Straßendirne gesellschaftlich geächtet, Fritz, der schwer erkrankt ist, fiel als Opernkomponist durch und sehnt sich nach Grete. In ihren Armen hört er ein letztes Mal den fernen Klang – so stark, wie nie zuvor.

 Tatjana Gürbaca konzentrierte ihre Regiearbeit insbesondere auf die Figur der Grete, die sie in jedem Akt auch bloßfüßig in ihrem grünen Mädchenkleid auftreten ließ (Kostüme: Silke Willrett) und dazu noch in Videosequenzen (Video: Thilo David Heins) Szenen aus ihrem Jugendleben auf der grünen Wiese abspielen lässt. Manches davon lenkte bloß ab und war verzichtbar. Überdies lässt sie die meisten Szenen in hellen Räumlichkeiten (Bühne: Marc Weeger) bei grellem Licht spielen, wobei sie die Drehbühne reichlich nützt. Dadurch allerdings geht jede Intimität verloren, was sich vor allem im dritten Akt äußerst negativ auswirkt. Publikumswirksam geraten die Szenen im venezianischen Tanzetablissement und Bordell „La casa di maschere“.

 Für die hohe musikalische Qualität des Opernabends sorgten vor allem das Orchester des Nationaltheaters Mannheim unter der Leitung von Dan Ettinger, dem es immer wieder gelang, einen wahren Klangrausch zu erzeugen, und die Sopranistin Cornelia Ptassek als Grete. Sie schaffte es, ihre schwierige Rolle mit höchstmöglichem Einsatz stimmlich zu bewältigen und überzeugte auch schauspielerisch in jeder Szene.  Es wunderte niemanden, dass am Schluss der Dirigent die Sängerin auf der Bühne umarmte und ihr so seine Bewunderung für die exzellente Leistung zollte.

 Als Fritz konnte der Tenor Michael Baba besonders in der Schlussszene überzeugen, im ersten Akt outrierte er zu stark und wirkte dadurch unsicher.  Die Eltern von Grete wurden von der Mezzosopranistin Petra Welteroth und vom Bass Sung Ha dargestellt. Der Bassist Sebastian Pilgrim spielte sowohl den Wirt, an den der alte Graumann beim Spiel seine eigene Tochter verliert, und Rudolf, der als Freund von Fritz ihm am Schluss rät, den dritten Akt seiner Oper neu zu komponieren. Spätestens bei dieser Szene hätte man die Regisseurin auffordern müssen, den dritten Akt neu zu inszenieren!

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Grete (Cornelia Ptassek) träumt vom Haus ihrer Kindheit (Foto: Hans Jörg Michel)

Zu einem Höhepunkt der Aufführung wurde der Wettbewerb in der „Casa di maschere“, bei dem zuerst der Bariton Raymond Ayers in der Rolle des in Grete leidenschaftlich verliebten Grafen die Ballade von einem König eindrucksvoll vorträgt, dessen Krone zu glühen beginnt, wenn ihn die Liebe ergreift, und anschließend der estnische Tenor Juhan Tralla in der Rolle des Chevaliers ein heiteres Couplet von einem Blumenmädchen aus Sorrent auf tänzerisch köstliche Art zum Besten gibt, das seine Frau wurde. Als neuer Gast versicherte Fritz, den der ferne Klang zu Grete führte, ihr seine unverändert gebliebene Liebe und bittet sie, seine Frau zu werden. Leider blieb Michael Baba auch in dieser Szene etwas blass.

 Aus dem großen Sängerensemble, das insgesamt eine eindrucksvolle Leistung bot, sind noch der Bariton Bartosz Urbanowicz als Dr. Vigelius und die Sopranistinnen Tamara Banješević als Mizzi und Estelle Kruger als Mary sowie die Mezzosopranistin Dorottya Láng als Milli und die Altistin Evelyn Krahe als Spanierin und Kellnerin zu nennen.

 Das besonders von der musikalischen Qualität der Aufführung begeisterte Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem frenetischem Beifall, wobei viele Bravorufe für die Grete-Darstellerin Cornelia Ptassek sowie für den Dirigenten Dan Ettinger und sein Orchester zu hören waren. Auf jeden Fall war es eine lohnende Wiedererweckung der Meisteroper des österreichischen Komponisten Franz Schreker, die in der neuen Saison am 3. Oktober 2015 wieder aufgenommen wird.

 Udo Pacolt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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