Mallorca, Valldemossa: Klavierkonzert Eric Lu – Festival Chopin am 11. August 2024
Litografie von Frédéric Chopin in der Zelle 4 der Kartause. Foto: Dr. Klaus Billand
So hatte es sich Frédéric Chopin vielleicht erträumt, seine Ankunft auf der Mittelmeerinsel Mallorca. Sanft gebettet in eine Gondel in den Armen seiner Geliebten. Wir wissen, die Realität war leider eine andere. Er kam 1838 auf die Insel mit seiner Geliebten George Sand. In der Kartause wohnten sie in Zelle 4 und durchlitten einen außerordentlich nassen und kalten Winter. Chopins Tuberkulose flammte wieder auf.
Der Garten der Zelle 4, die George Sand und Frédéric Chopin bewohnten. Foto: Dr. Klaus Billand
Er hinterließ das Regentropfen-Prélude op. 28, Nr. 15 und George Sand ihren Bericht Ein Winter auf Mallorca.
Wie sich trotz dieses vernichtenden Berichts über Mallorca über die Jahre der Ruf der Insel als europäisches Urlaubsparadies aufgebaut hat, ist eines der Geheimnisse von Werbung.
Eric Lu spielte die Barcarole in fis-Dur, Opus 60, eine wunderbare Einstimmung auf das Konzert in den Bogengängen des ehemaligen Kartäuser Klosters von Valldemossa.
Danach war Franz Schubert (1797-1828) der erste Teil des Abends gewidmet. Eric Lu interpretierte die Impromptus Nr. 90 ohne pianistische Effekthascherei, aber vom Ausdruck und der Technik her perfekt. Es ist diesen Stücken, die Schubert im letzten Jahr seines Lebens schrieb, eine große Sanftheit zu eigen, eine Vertrautheit, die man wiedergrüßt. Oft spürt man auch eine große Verzagtheit, der er sich immer wieder kraftvoll versucht zu widersetzen.
Eric Lu, den 26jährigen amerikanische Pianisten, könnte man vom Äußeren durchaus in die Chopin-Nachfolge stellen: groß, schlank, elegant und auch etwas scheu wirkend, spielte er nach der Pause die Mazurken Op. 568 (veröffentlicht 1844) und Catherine Maberly gewidmet von Frédéric Chopin. Hier stach besonders das tänzerische Element hervor. Man spürte ein leichtes Zucken in den Beinen und fühlte sich träumerisch in glänzende Ballsäle versetzt.
Dann kam die mit Spannung und als Höhepunkt erwartete Sonate Nr. 3 in h-Moll Sonate Op. 58. Hier hat sich Chopin nach der Sonate Nr. 2, b-Moll, Opus 35 (mit dem Trauermarsch) wieder mehr an die klassischen Vorbilder gehalten, und so entstand die 3. Sonate als die Vollendung seines Sonatenschaffens. Der junge Pianist zeigte sich auch hier als ein einfühlsamer Interpret, kraftvoll bis ins zarteste Piano, Arpeggien und herrliche Läufe und die vollendete Behandlung der Pedale. Alles war eine Einheit. Der starke Beifall ließ einige Sekunden auf sich warten, das Publikum musste erst wieder zurückfinden und dankte danach um so stürmischer.
Als aniadendo (Zugabe) und Hoffnung auf Abkühlung gleichsam spielte er das Regentropfen-Prélude. Trotz Konzertbeginns um 21.30 Uhr waren es in dieser Nacht um die 30 °C, und die kalten Klostermauern hatten sich in Backöfen verwandelt.
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Lieder- und Arienabend, Lorena und Carlos Bonnin in der Iglesia de la Sang, Soller, Mallorca, am 18. August
Ein großes Talent!
Lorena Bonnin (Sopran), am Klavier von ihrem Vater Carlos Bonnin begleitet. Foto: Lorena Bonnin/privat
Ein weiterer Höhepunkt dieses Sommers war das Concert de cant liric von Lorena Bonnin (Sopran), am Flügel ihr Vater, Pianist und Komponist Carlos Bonnin.
Soller, war früher bis in die 70er Jahre ein abgeschnittenes Küstenstädtchen, nur zugänglich über das Meer oder über eine lange (8,9 km über 473 Höhenmeter überwindende) serpentinenreiche Bergstraße, später (1912) kam dann erst das heutige touristische Nostalgie-Highlight des Ferrocarrils (Zug und Straßenbahn) dazu. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass sich dort eine französische Enklave bildete. Von Frankreich aus war der Hafen gut erreichbar, und im 1. Weltkrieg wurden hauptsächlich die guten Schuhmacher der Insel abgeworben, um in den Schuhfabriken von Marseille Schuhe für die Kolonialtruppen Frankreichs herzustellen. Die Rückkehrer brachten die französische Sprache und Kultur nach Soller. Mit dem Bau eines Tunnels vor 40 Jahren hat sich Soller zu einer weltoffenen, internationalen, aber ihren historischen Charakter bewahrenden und gepflegten Stadt entwickelt, die allein durch den eigenen Hafen ein große Anziehungskraft hat.
Die Kirche zum Hlg. Blut liegt ganz unauffällig in der Straße des Hospitals und war diesem früher angegliedert. Die allgegenwärtigen Heiligenfiguren versprechen Hilfe bei Krankheit und Not und sollen Trost spenden. In diesem schönen Rahmen fand nun dieses Konzert statt.
Das Programm war ausgewogen. Zunächst Giacomo Puccini mit Madama Butterfly. Die Arie der Cho-Cho-San aus dem 2. Akt gestaltete Lorena Bonnin ergreifend. Nach Liedern von Fernando Obradors und A Chloris von Reynaldo Hahn ging es zu der Callas-Bravourarie „O mio babbino caro…“ aus dem Einakter Gianni Schicchi von Puccini. Lorena Bonnin sang diese Arie technisch souverän, und man nahm ihr die kindlich törichte Loretta mit ihrem jugendlichen Charme besonders ab.
Dann überraschte sie mit einer leidenschaftlichen Habanera, (Carmen, Georges Bizet) die man ihr auch fachübergreifend (für Mezzo geschrieben) abnahm. Lorena hat jetzt schon eine großartige Technik, singt die langen Phrasen ohne Not – beeindruckend!
Mit „All I ask of you“ aus dem Musical „Das Phantom der Oper“ von Andrew Lloyd Webber oder „Somewhere over the Rainbow“ von Harold Arlen, die sie bravourös interpretierte, zog sie das Publikum besonders in ihren Bann. Mit Nummern aus „Les Miserables“ und der Zugabe „Granada“ kam es zu einem triumphalen Abschluss.
Und nicht nur das Publikum, auch die Heiligen an ihren Wänden hatten sicher ihre Freude und waren von der Kraft der Musik und der jungen Künstlerin und deren Interpretationen an diesem Abend sicher in ihren Bann gezogen.
Eine schöne Bereicherung des Programms waren die von Carlos Bonnin komponierten Klavierstücke, die er selbst vortrug. Es waren kleine emotionale Höhepunkte, die der Sängerin Pausen verschafften. Der Komponist nennt sie nur Composicio per piano, sie sind eingängig, romantisch und trotzdem modern in einem guten Sinne. Carlos Bonnin ist der „Sachwalter“ Frédéric Chopins auf der Insel. Seit mehr als 30 Jahren spielt er täglich 3-6 Mal im Palast von König Sanç Werke von Chopin im Rahmen der Führungen durch die Kartause von Valldemossa. Man möchte einmal ein ganzes Konzert mit Kompositionen von ihm hören.
Dr. Christiane Meine