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MAISSAU/ Stift Zwettl: Gottfried von Einem Fest zum 100er

13.06.2018 | Konzert/Liederabende

Gottfried von Einem   (Foto: Wr.Staatsoper)

Maissau-Oberdürnbach/Stift Zwettl: Gottfried von Einem Fest und eine Festmesse 
9. und 10.6.2018

Gottfried von Einem – Mehr als eine Messe wert!

Von Manfred A. Schmid

In der anmutigen Filialkirche zur Hl. Katharina in Oberdürnbach bei Maissau, wo der Komponist seine letzten Lebensjahre verbracht hatte und wo er am 12. Juli 1996 auch starb, findet seit Jahren in der ersten Junihälfte ein kleines, aber feines Gottfried von Einem Fest statt. Das exquisit zusammengestellte Programm zum Gedenken an seinen 100. Geburtstag verschaffte diesmal dem treuen Publikum Einblicke in sein kammermusikalisches Oeuvre, wobei mit Liederzyklen und Kompositionen für Klavier solo ein Bogen von der Frühzeit (1947) bis in die Spätphase seines Schaffens gespannt wurde.

Robert Lehrbaumer, der verdienstvollerweise das gesamte Klavierwerk Gottfried von Einems auf Tonträger eingespielt hat, brachte den anlässlich des Todes von Friedrich Dürrenmatts Frau entstandenen Zyklus „Vermutungen über Lotti“ (op. 72) zu Gehör. Die zehn Capricen, überaus variantenreich in der Anwendung musikalischer Techniken und Stilmittel, erwiesen sich als eine ebenso wehmütige wie augenzwinkernde Hommage an eine liebenswerte Persönlichkeit. Auch die folgenden „Sieben Portraits“, op. 109, sind eine musikalische Erinnerungsarbeit an Menschen, denen Einem freundschaftlich verbunden war. Stellvertretend genannt seien Bert Brecht (mit feiner Ironie karikierend dargestellt), Fritz Wotruba (mit tonmalerischer Wucht sind Hammerschläge und ziselierender Meißeleinsatz eingefangen) und Fritz Hochwälder (ein leicht versponnener Walzer charakterisiert einen liebenswürdig-charmanten Freund). Die Interpretation Lehrbaumers ließ seine Vertrautheit mit dem pianistischen Werk Einems durchscheinen, wirkte zuweilen aber – vielleicht gerade deshalb –  etwas zu routiniert und oberflächlich. Als Widmungsträger der „Portraits“ freute sich der Rezensent aber dennoch über das Wiederhören.

Der zweite Teil des Programms wurde durch drei Lieder aus den „Leib- und Seelen-Songs“, op. 53, nach Texten von Lotte Ingrisch, eröffnet. Theresia Anna Kaiser (Sopran) und Laszlo Szabo (Gitarre) überraschten mit einem eher unbelasteten Zugang zu diesen naturnahen Stimmungsbildern. Immerhin Anlass zu einer Hoffnung auf den Beginn einer intensiveren Auseinandersetzung mit diesen tiefgründigen Kompositionen und ihrem Schöpfer!

 Alexander Kaimbacher, der durch seine Einspielung aller Lieder für Gitarre ein ausgewiesener Kenner Gottfried von Einems ist, brachte anschließend die frühen „Acht Hafislieder“, 1947 wie sein bahnbrechender Bühnenerstling „Dantons Tod“ uraufgeführt, zum Besten. Es folgten die Zyklen „Lebenstanz zwischen Seele und Gott“ und „Bald sing´ ich das Schweigen“, beide in den 1980-er Jahren nach Texten von Lotte Ingrisch entstanden. Kaimbacher setzte auf eine durchgehend intensive, unter die Haut gehende Gestaltung, stets mit voller Kraft vorgetragen. Dabei blieb der Tenor aber eine differenzierende Ausdeutung schuldig, schließlich gibt es in diesen Zyklen auch stille, zarte Passagen, denen er und Lehrbaumer am Klavier so nicht gerecht werden konnten. Außerdem sprengte sein lautstarker Vortrag die akustischen Gegebenheiten des eher begrenzten Kirchenraumes. Weniger wäre da wohl mehr gewesen.

Zu einem wahren Fest für Gottfried von Einem entpuppte sich hingegen die Aufführung seiner „Missa Claravallensis“ am folgenden Tag in der Stiftskirche von Zwettl, wo sie vor 30 Jahren als Auftragswerk des Stiftes zum ersten Mal zu hören war. Der Komponist hatte sich auf die Durchführung dieses Auftrags wie immer gute vorbereitet und dazu u.a. Bachs Hohe Messe in H-moll studiert. Mag sein, dass er, der im norddeutschen und somit protestantisch geprägten Schleswig-Holstein aufgewachsenen war, sehen wollte, wie sich der protestantische Thomas-Kantor einer Messe im Gewand einer katholischen Liturgie genähert hatte. Wie immer aber geht der „Componist“, wie er wie er sich selbst zu nennen pflegte, bei der Umsetzung seinen eigenen Weg, reduziert die Instrumentalbegleitung auf wenige Bläser sowie Schlagzeug und setzt gesanglich auf einen durchgängig eingesetzten gemischten Chor. 

All das war beim Webern Kammerchor der Wiener Universität für Musik und Darstellende Kunst und einem Instrumentalensemble derselben Institution, unter der Gesamtleitung von Alois Gaßner, in den besten Händen – und Kehlen! Und so erklang die Messe als stetes Ringen des Komponisten mit Gott um die dringliche und doch so ungewisse Hoffnung auf Frieden. Besonders im abschließenden Agnus Dei wurde diesem verzweifelten und zweifelnden Rufen nach Frieden – fordernd, stammelnd und flüsternd – eindrucksvoll Ausdruck verliehenen.

Der ausgewogene Chor konnte auch bei den beiden zusätzlich dargebotenen Stücken – Bruckners „Christus factus es“ und „Richte mich, Gott“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy – seinen erfreulich hohen Standard dokumentieren. Stiftskapellmeister Marco Paolacci umrahmte auf der prächtigen Zwettler Orgel die Festmesse mit je einer Toccata von Georg Muffat und Johann Jakob Froberger. Und so war dies eine Würdigung Gottfried von Einems, wie sie ihm schon zu Lebzeiten immer am liebsten war: im Zusammenhang mit Werken großer, geschätzter Kollegen.

M.A.Schmid

 

 

 

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