
Taiga Yamagata, Klavier, Yuliya Lebendenko, Violine, Guido Arbonelli, Klarinette. Alle Fotos: M. A. Schmid
MAISSAU-OBERDÜRNBACH / Kirche zur Hl. Katharina: GOTTFRIED VON EINEM FEST
9. Oktober 2021
Von Manfred A. Schmid
Melos und Logos ist der Titel des alljährlich von der Internationalen Gottfried von Einem Gesellschaft in Kooperation mit dem Institut für Kulturwissenschaft und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Gesellschaft der Freunde der ÖAW veranstalteten Gottfried von Einem Fests. Aufführungsort ist die entzückende und mit mittelalterlichen Fresken ausgestattete Fililalkirche zur Heiligen Katharina gegenüber dem Haus, in dem der „Componist“, wie er sich zu nennen pflegte, seine letzten Jahre verbracht hatte und wo er 1996 verstarb. Ein idealer Rahmen für seine Kammermusik und für sein reiches Liedschaffen, ist er doch selbst oft im Kirchenraum gesessen, um sich von der dort herrschenden Stille und dem einzigartigen Ambiente inspirieren zu lassen.
Eingerahmt wird das diesjährige Fest von je zwei Sätzen aus Gottfried von Einems 1992 für das angesehene Verdehr Trio componierte Stück für Violine, Klarinette und Klavier, dem er den Namen des auftraggebenden und mit der Uraufführung betrauten Ensembles gegeben hat: Verdehr Trio op. 97. Ein kraftstrotzendes, musikantisches und abwechslungsreiches Stück, in dem er der Klarinette, seinem Lieblingsinstrument, eine führende Rolle einräumt und dessen klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten genießerisch auskostet. Der aus Perugia stammende Guido Arbonelli, ein weltweit geschätzter Meister seines Faches und zudem ein mehrfach preisgekrönter Komponistenkollege des Meisters, versteht es, seine jungen Partner – Taiga Yamagata (Klavier) und Yuliya Lebendenko (Violine) auf dieser musikalischen Parforcejagd mitzureißen und sie zu Höchstleistungen anzuspornen. Ein Höhepunkt sind die von dem italienischen Klarinettisten danach dargebotenen Sieben Studien für Solo-Klarinette op. 98, denen ihr Schöpfer den Titel Titbits – Leckerbissen – verpasst hat. Man kann gar nicht genug davon kriegen.

Taiga Yamagata, Klavier, Yuliya Lebendenko, Gesang.
Zwei entstehungsmäßig recht weit auseinander liegende Liederzyklen geben einen Einblick in Gottfried von Einems lebenslange Liebe für das Lied, die sich in mehr als einhundert von ihm geschriebenen Liedern manifestiert. Die junge spanische Sängerin Júlia Farrés-Llongueras – auch hier ist der Pianist erneut der noch junge und hochbegabte Japaner Taiga Yamagata – hinterlässt einen erfreulichen Eindruck mit ihrer Interpretation de 1957 uraufgeführten Sieben Lieder, op. 19, nach Texten verschiedener Dichter. An der Wortdeutlichkeit wäre allerdings noch zu arbeiten. Die folgenden Zwölf Lieder nach Gedichten von Christine Busta, Inmitten der Vergänglichkeit op. 77, 1989 im Rahmen des Carinthischen Sommers uraufgeführt, sind Zeugnisse tiefer Lebensweisheit. Die Zeilen des Schlusslieds drücken das in knappster Form überwältigend aus: „Die Liebe nimmt an, nicht weg. / Sie ergreift nicht Besitz. / Sie ist zugetan. / Sie ist das Geheimnis der Brotvermehrung.“ Es wäre vermessen, von den jungen Interpreten eine überzeugende Auslotung dieser Lieder zu erwarten. Aber ein vielversprechender Anfang ist jedenfalls bereits gemacht und das Interesse am so reichen Liedschaffen Gottfried von Einems geweckt.
Robert Lehrbaumer, von dem das gesamten Klavierwerk Gottfried von Einems eingespielt vorliegt, hat für diesen Abend etwas Besonderes vorbereitet. Das Kirchlein besitzt nämlich eine vor wenigen Jahren restaurierte kleine Barockorgel. Es gibt zwar Orgelsonaten des Meisters, die aber für große Orgel bestimmt sind und u.a. für die Konfirmationsfeier seines Sohnes Caspar Einem geschrieben wurden, dessen bei diesem Konzert mit einer Gedenkminute gedacht wurde. Lehrbaumer hat aus der Sonate für Orgel, op. 64 zwei Sätze ausgesucht, die er auf dem Oberdürnbacher Orgel-Kleinod zum Besten gibt. Die Wirkung ist eindrücklich und geradezu transzendental. Außerdem stehen noch drei Stücke aus verschiedenen Klavierwerken Einems auf dem Programm, die ebenfalls erstmals auf der Orgel erklingen und dadurch in eine andere Klangdimension gehoben werden. Ein interessantes Experiment. Durchaus gelungen.

Robert Lehrbaumer erklärt sein Orgelprojekt.
Der von Lotte Ingrisch, der Gattin Gottfried von Einems gewählte Titel der Veranstaltung – Melos und Logos – bringt es mit sich, dass bei den Konzerten immer auch die Wissenschaft zu Wort kommt. In den vergangenen Jahren waren u.a. die Physiker Anton Zeilinger und Helmut Rauch als Redner eingeladen. Diesmal berichtet der Komponist Oliver Peter Graber in seinem Vortrag „Musik der Moleküle“ über seine Versuche einer Verknüpfung von Musik und Naturwissenschaften. Gottfried von Einem hätte dazu wohl nur seinen Kopf geschüttelt. Den Einsatz von „Ingenieursideologien“ beim Komponieren lehnte er strikt ab.