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MAINZ/ Dom: 8. SINFONIEKONZERT mit Gounods Oratorium „Mors et Vita“

27.06.2015 | Konzert/Liederabende

Mainz: 8. Sinfoniekonzert im Dom (26.6.2015)

Die lange und bewährte Zusammenarbeit zwischen dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz und der Mainzer Dommusik ist inzwischen so weit gediehen, dass eines der 9 Sinfoniekonzerte im Mainzer Dom stattfindet. Sinnvoll ist dies vor allem bei einem Programm mit geistlichem Schwerpunkt wie jetzt im 8. Konzert der Saison. Auf dem Programm standen der 2. und 3. Teil aus Charles Gounods seltem gespielten Oratorium „Mors et Vita“. Dessen erster Teil, der der traditionellen „Requiem“-Liturgie folgt, war leider ausgespart.

Die Lücke füllte eine Uraufführung – ein Instrumentalwerk, das sich in seinen 7 Sätzen (und Satzbezeichnungen) an eben diese Requiem-Liturgie anlehnt. Bei dem ukrainischen Komponisten Alexander Shchetynsky (Jg. 1960) hatte nämlich das Staatsorchester ein Konzert für Klavier und Orchester in Auftrag gegeben, das speziell auf den Urauführungsort mit seiner heiklen Akustik abgestimmt sein sollte. Über sein Werk, das den Beinamen „Liturgical“ trägt, schreibt der Komponist selbst, es basiere auf dissonanten, atonalen und modalen Harmonien und chromatischen Melodien, beinhalte aber auch tonale und quasitonale Elemente. Motive und harmonische Kombinationen würden einer intensiven Entwicklung unterzogen, wobei das Konzert virtuos mit Elementen und Stilen der Vergangenheit spiele. Das ist sicher zutreffend beschrieben. Heraus kommt aber dabei für den Hörer eine Musik, die weitaus weniger heterogen klingt als befürchtet, sondern in ihrer meditativen Grundhaltung, ihrer Freude am Klang und ihrem unbeirrten Fortschreiten stark an den großen Komponisten und bewussten Katholiken Olivier Messiaen (1908 – 1992) erinnert. So wie GMD Hermann Bäumer und der Pianist Denys Proshayev in Anwesenheit des Komponisten die Aufführung anlegten, düfte sie authentisch gewesen sein. Die Musik erschien weniger als gemeinsamer dynamischer Verlauf, sondern eher als ein Dialogisieren von unterschiedlicher Intensität, bei dem sich verschiedene Klangschichten überlagern durften und innerhalb des Orchesters verschiedene Kraftzentren hörbar wurden. Ein langer Nachhall schadet da nicht, verstärkt vielleicht sogar die Wirkung.

Auch Gounods Oratorium in seiner fast holzschnittartigen Zeichnung der Einzelsätze kommt der Dom-Akustik entgegen. Gleichzeitig gelang es dem Dirigenten, dem Orchester und den von Domkapellmeister Karsten Storck ausgezeichnet präparierten Chören (im einzelnen die Domkantorei St. Martin, die Männerstimmen des Mainzer Domchores und der Mädchenchor am Dom und an St. Quintin) eindrucksvoll, die Faszination deutlich zu machen, die dieses Werk auf die Zeitgenossen vor allem in Frankreich und England ausübte, die aber auch heute noch nachvollziehbar ist. Denn in einer dramaturgisch sehr geschickten Mischung von Chören, Solo-Nummern und auffallend vielen Instrumentalstücken entfaltet Gounod ein lebendiges Bild von Jüngstem Gericht und Himmlischem Jerusalem – zwei sehr wichtigen Visionen der christlichen Überlieferung, die uns heute ferngerückt sind, aber über Jahrhunderte prägend waren. Stilistisch rückt da mal die Grand Opéra in den Vordergrund, mal das Oratorium Mendelssohnscher Prägung, mal eine fast nazarenische anmutende Einfachheit. Langweilig wirkte das nie, und die Mitwirkenden bauten einen gewaltigen Spannungsbogen bis zum Ende auf, auch wenn der Bariton Brett Carter den Part des biblischen Erzählers zwar mit einigem Vibrato, aber wenig innerer Beteiligung vorzutragen schien. Die Sopranistin Joo Hyun Cho hatte es leichter, ihrem freundlichen Part innere Wärme abzugewinnen. Bedenklich erscheint mir allerdings, wenn ein Programmheft-Redakteur es nicht einmal für nötig hält, die vertonten Bibel-Texte abzudrucken. Ihre Kenntnis, schon gar in lateinischer Sprache, kann man beim Konzert-Publikum nicht mehr voraussetzen. Kulturgeschichtlich sind sie aber von höchster Bedeutung, gerade wenn man bedenkt, dass sich der islamistische Terror, der sich am Tag des Konzerts mit drei brutalen Anschlägen in Frankreich, Tunesien und Kuwait besonders hervortat, aus ganz ähnlichen – missverstandenen – Endzeit-Visionen speist

Andreas Hauff

 

 

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