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MAILAND/Scala: DER ROSENKAVALIER – eine Sternstunde der Oper!

01.11.2024 | Oper international

MAILAND/Scala: DER ROSENKAVALIER am 29. Oktober 2024

 Eine Sternstunde der Oper!

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 Die Wiederaufnahme des Salzburger „Rosenkavalier“ von vor 10 Jahren in der Regie des musiktheatralischen Großmeisters  Harry Kupfer an der Mailänder Scala geriet vor völlig ausverkauftem Haus und bei über 20 Minuten Applaus zu einer Sternstunde der Oper! Darin waren sich fast alle einig. Und es liegt mir fern, solche Superlative inflationär zu verwenden. Was Kirill Petrenko an Farbenreichtum, Subtilität, Dramatik, aber auch an Wiener Schmäh‘ mit dem in Höchstform spielenden Orchestra del Teatro alla Scala vorführte, war so lange nicht mehr zu hören, wenn überhaupt in jüngerer Vergangenheit. Es war einfach ein Kunstgenuss der besonderen – und vielleicht sogar anderen – Art zu erleben, wie filigran Maestro Petrenko, der am Schluss wieder völlig bescheiden vor den Vorgang trat, die Musiker zu einer der besten Strauss-Interpretationen bewegte, die ich je gehört habe. Erinnerungen an Carlos Kleiber regten sich dezent. Vor dem 2. und 3. Akt bekam Petrenko frenetischen Auftrittsapplaus. Perfekt gesanglich und choreografiert war auch der Chor und Kinderchor der Accademia Teatro alla Scala, einstudiert von Marco de Gaspari.

Die phantastische Inszenierung Harry Kupfers und seines kongenialen Bühnenbildners Hans Schavernoch mit den geschmacklich perfekt dazu passenden Kostümen von Yan Tax im kunstvoll schwarz-weiß bebilderten imperialen Wien glänzte in völliger Frische wie am ersten Tag bei den Salzburger Festspielen. Man merkt dieser Produktion an, wie viel Verständnis des Werkes, welches Kupfer in seiner Entstehungszeit angesiedelt hat, hier zu Realisierung kommt, ohne auf komische und durchaus neuartige Aspekte der „Rosenkavalier“-Dramaturgie, zumal der Rolle des Ochs und im Prater-Akt, zu verzichten. Kupfer hat hier perfekte Feinarbeit bei der Personenführung geleistet, alle Figuren sind klar gezeichnet, und das durchgängig durch das ganze Stück. Die großen Projektionen des imperialen Wien bis in den Prater treffen sich bestens mit den wenigen, aber geschickt changierenden Requisiten und den im Mobiliar angedeuteten Jungendstilelementen.

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Fotos: Brescia e Amisano/Teatro alle Scala

Krassimira Stoyanova war eine exemplarische Marschallin. Sie gab der Figur ein ganz besonderes, so nachdenkliches wie sinnliches Flair und ließ ihren geschmeidigen Sopran in allen Lagen bei perfekt fokussierter Mittellage mit schönsten Facetten erklingen. Es war eine Wohltat, ihr zuzuhören und ihre subtile Mimik im eleganten weißen Gewand zu sehen. Äußerst amüsant und ansprechend ihre Aktion mit Octavian, den Kate Lindsay im 1. Akt ebenso herrlich und mit virtuoser Ästhetik interpretierte, nahezu eine Idealbesetzung für diese Rolle. Lindsay, die im Sommer in Salzburg einen sehr guten Lieder- und Arienabend gab, stellte auch die Mamsell im Pater wunderbar dar und sang sie perfekt mit einer anderen Stimme, um Ochs hereinzulegen.

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Copyright: Klaus Billand

Günther Groissböck brillierte mit seinem ausdrucksstarken und facettenreichen Bass als herrlich wienernder Ochs in Super-Spiellaune. Er war kaum zu bremsen und brachte eine unglaubliche Authentizität in die Partie. Sabine Devieilhe als Sophie sang und spielte auf höchstem Niveau mit. Michael Kraus war ein charakterstarker nachdrücklicher Herr von Faninal. Alle ein wahrer Glücksfall! Auch die Nebenrollen waren mit Caroline Wenborne als Jungfer Marianne Leitmetzerin, Gerhard Siegel als Valsacchi, Tanja Ariane Baumgartner als Annina und weiteren festspielmäßig besetzt. Priero Pretti sang einen exzellenten Sänger mit seinem „Di rigori“, dass man zutiefst bedauern musste, wie Ochs die zweite Strophe durch sein unwirsches Gebaren abrupt beendete…  Eine wahre Sternstunde nach der musikalisch nicht ganz so überzeugenden „Rheingold“-Premiere am Vorabend.    

 Klaus Billand                                                            

 

 

 

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