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MADRID/ Teatro Real: DAS RHEINGOLD

29.01.2019 | Oper

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Foto: Javier del Real

Madrid: „DAS RHEINGOLD“ –Teatro Real, 27.1.2019

 Robert Carsen hat in den Jahren 2000-2003 Wagners „Ring des Nibelungen“ für das Kölner Opernhaus geschaffen. Diese Produktion ist seither viel gereist und war u.a. auch 2013 – 2016 am Gran Teatre del Liceu in Barcelona zu sehen. (Wir werden wohl nie vergessen, wie nach der letzten „Siegfried“-Aufführung das Leben der jungen deutsche Altistin Maria Radner, die die Erda gesungen hatte, und des Baritons Oleg Bryjak, der den Alberich verkörpert hatte, auf dem Rückflug von Barcelona nach Düsseldorf vorzeitig erloschen ist, weil der Co-Pilot der Germanwings-Maschine das Flugzeug bewusst in selbstmörderischer Absicht zum Absturz brachte.)

Die „Rheingold“-Premiere im Dezember 2000 verursachte damals in Köln großes Aufsehen, nicht nur wegen der Grundkonzeption der Inszenierung, wovon später noch zu sprechen sein wird, sondern wegen der Tatsache dass Robert Carsen damals 50 bis 60 Statisten angefordert hatte und der Kölner Generalintendant Günter Krämer das für zu teuer empfunden hat. Abhilfe versprach da die kostengünstige Ausleihe von 24 Strafgefangenender Justizvollzugsanstalt Euskirchen. Der Gefängnisleiter war begeistert, da er meinte, dass dies eine ideale Resozialisierungsmaßnahme sei. Die Häftlinge schufteten u.a. als Alberichs Arbeitssklaven in Nibelheim,formierten sich zum Riesenwurm oder erschienen als bedrohliche Bauarbeiter oder Möbelpacker. Irgendwie muss es für die Knackis ja schon etwas seltsam gewesen sein bei einer Oper mitmachen zu dürfen, in der es um Raub, Freiheitsberaubung und Mord geht.

Nun machte also Roberts Carsens „Rheingold“ in Madrid Station und ich vermute, dass hier gewöhnliche Statisten nun diese Funktionen übernommen haben. Robert Carsen hat die Umweltverschmutzung und die Zerstörung unseres Lebensraumes durch den Menschen zum Grundgedanken seiner Inszenierung gemacht. Es ist erschütternd festzustellen, dass diese Produktion in all den Jahren nicht Patina angesetzt hat sondern aktueller ist denn je. Wir befinden uns in der Gegenwart, nicht am Beginn der Welt, wie von Wagner erdacht. Der Rhein ist hier zu Beginn nur noch ein Rinnsal, dessen Flussbett von den Menschen schon völlig zugemüllt wurde. Und während Wagners Wassermusik in Es-Dur langsam an Tempo zulegt, hetzen in immer schnellerem Tempo Passanten über die Bühne und werfen achtlos Essensreste, Zeitungen, Zigarettenstummel, Aludosen und Plastikflaschen in das Flussbett, in dem sich drei schmuddelige Mädchen zu Hause fühlen. Zwischen all dem Dreck hüten sie auch einen echten Schatz, einen Ring, der in einem Autoreifen versteckt ist und den Alberich dann raubt. (Was natürlich dem Text entgegensteht, da Alberich diesen nicht selbst schmiedet.)MitNibelheimist die Kanalisation der Stadt gemeint, in der Outlaws wie Alberich und Mime hausen. Wotan ist hier Staatschef einer Militärdiktatur, der im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht und noch immer auf einer Baustelle lebt. Walhall bekommen wir nämlich nicht zu sehen (dessen Existenz wird in Richtung Zuschauerraum suggeriert), dafür jede Menge Betonplatten, Steinquader, Marmorblöcke, Flaschenzüge etc. Und natürlich wird Walhall nicht nur von Fasolt und Fafner erbaut, die beiden rücken mit einer ganzen Armee von Bauarbeitern an. Nur dumm, dass die orangenen Overalls den Besucher aus Wien an die Müllmänner der MA 48 erinnern. Patrick Kinmonth hat auf fast leerer Bühne mit den jeweils notwendigen Requisiten und ausgezeichneter Beleuchtung für jedes Bild eine atmosphärische Stimmung geschaffen. Bei den Requisiten hat man ein wenig aktualisiert, so hat Wotan statt eines Speers einen Spazierstock und Donner statt eines Hammers einen Golfschläger etc. Sehr überzeugend geriet hier die Lösung Freias. Diese liegt am Rücken auf dem Boden und wird mit Goldmünzen überschüttet, die die Nibelungen an die Erdoberfläche schleppen. Trotz einiger Einwände muss man der Inszenierung auch noch nach mehr als 18 Jahren attestieren, dass sie spannend ist. Und sie schlägt damit um Längen etwa die lähmend-langweilige Produktion von Sven-Eric Bechtolf, die seit Jahren an der Wiener Staatsoper gezeigt wird.


Foto: Javier del Real

Die große Überraschung jedoch bot das hohe musikalische Niveau dieser Aufführung. Pablo Heras-Casado holte aus dem bestens disponierten Orquesta Titular del Teatro Real ein Maximum an Klangschönheit heraus. Sowohl die Tempi als auch die Dynamik waren stimmig, die Holzbläser begeisterten mit warmemKlang und die Blechbläser mit strahlenden Tönen, und die Streicher verwöhnten die Ohren mit weichem Klang, den man so nur von den Wiener Philharmonikern gewöhnt ist.  Dazu stand ein erstklassiges Sängerensemble auf der Bühne, das mit Robert Carsens intensiver Personenregie eine enormeSpannung erzeugte. Endlich mal wieder einen erstklassigen Wotan lernte man in Greer Grimsley kennen, der über einen herrlich timbrierten Bass-Baritonverfügt mit einer sicheren Höhe und einer vollen, ausladenden Tiefe. (Die Stimmer erinnert ein wenig an James Morris.) Dass er (wie übrigens fast alle Sänger) überaus wortdeutlich sang, sei nur am Rande vermerkt. Und dass manche Posen, die er als Staatschef einer Militärdiktatur einnahm, an Gesten des derzeitigen Österreichischen Bundeskanzlers erinnern, war bestimmt nur zufällig und nicht beabsichtigt – oder? Sarah Connolly war mit ihrem kraftvollen Mezzosopran eine exzellente Fricka, eine starke Frau, die Wotan mit Sicherheit das Leben schwer macht, aber zugleich auch sehr fraulich und kokett sein kann. Während Sophie Bevan mit ihrem strahlenden Sopran eine ausgezeichnete Freia und David Butt Philip ein zufriedenstellender Froh waren, enttäuschte Raimund Nolte mit trockenem Bariton und begrenzter Höhe als Donner. Joseph Kaiser, der vor wenigen Jahren der großartige Peter Grimes in der sensationellen Produktion im Theater an der Wien gewesen ist, war ein ausgezeichneter und wendiger Loge. Diese Partie kann ja sowohl von einem Charaktertenor als auch von einem Heldentenor wie auch von einem lyrischen Tenor gesungen werden. Ich persönlich finde die Besetzung mit einem lyrischen Tenor am besten, vor allem wenn man einen so wunderbaren Sänger wie Joseph Kaiser zur Verfügung hat. Die beiden Bauarbeiter Fasolt und Fafner wurden von Albert Pesendorfer (als Einspringer für den erkrankten Ain Anger) und Alexander Tsymbalyuk kongenial verkörpert. Ausgezeichnet auch der Mime von Mikeldi Atxalandabaso. Stimmlich sehr schön abgestuft und zusammenpassend waren die Rheintöchter (Isabella Gaudi als Woglinde, María Miró als Wellgunde und Claudia Huckle aus Flosshilde). Leider immer öfter breitet sich auch an den großen Opernhäusern die Unsitte aus, die Erda mit einer Mezzosopranistin zu besetzen, die dann in der Tiefe entweder unhörbar wird oder auf die Stimme drücken muss. Hier in Madrid hat man nicht einen solchen Besetzungsfehler begangen. Die Afroamerikanerin Ronnita Miller verfügt über einen satten Alt mit ausladenden Tiefen. Dass sie mit ihrer voluminösen Figur tatsächlich auch noch wie die Urmutter aussieht, ist noch ein zusätzliches Plus. Wenn sie Wotan zärtlich umarmt, ahnt man bereits, dass diese Begegnung Folgen haben wird. Samuel Youn, der bereits in der verunglückten Ring-Trilogie im Theater an der Wien bewiesen hat, dass er ein interessanter Alberich ist, konnte hier nun wirklich zeigen, was er kann. Zu Recht rückte er als Figur in den Mittelpunkt der Aufführung und begeisterte auch mit ausdrucksstarkem Gesang. Einzig an seiner Wortdeutlichkeit sollte er noch arbeiten. Aber dennoch eine wirklich imposante Leistung.

Im Finale feiern die „Götter“ den Einzug in ihr neues Heim in Abendkleid und Frack. Mit Champagnergläsern, die Loge serviert, gehen sie in die Dunkelheit der Hinterbühne, während Schneefall einsetzt. Die Diener tragen das Mobiliar hinterher. Mit großem Jubel endete der Beginn der Ring-Tetralogie. In den nächsten drei Spielzeiten folgen die weiteren Teile von Wagners „Ring des Nibelungen“. Wenn die folgenden Teile ebenso gut gelingen werden wie hier nun das „Rheingold“, dann kann  sich das Opernpublikum von Madrid schon jetzt darauf freuen.

Walter Nowotny

 

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