Macerata Opera Festival 24.7.2020: Wiederauferstehung der Oper (aller Opern): DON JUAN/Don Giovanni
Valentina Mastrangelo, Mattia Olivieri, Manen, (c) Zanconi Trabbachini
Macerata ist das 1. große Opernfestival, das sich wieder auf die große Bühne zurückwagt mit einer fantastischen Mozartoper, die nur so vor szenischer Energie und schneller Action sprüht. Natürlich hat die große breite Bühne des ehemaligen Gioca di Pallone-Stadions den Vorteil, daß sich auch große Menschenaufläufe dezent verteilen lassen, aber ansonsten ergeben sich keinerlei Einschränkungen, was den szenischen Ablauf betrifft, keinerlei negative Einflüsse, die die Handlung irgendwie einschränken! Da in den letzten Jahren auch häufig wegen Regens abgebrochen wurde, hat man dies Jahr den Orchestergraben nun so konstruiert, daß er fast gänzlich unter Bühne versteckt ist. So ist der Klang zwar eingedämmt, aber es muß nicht gleich beim 1.Tropfen abgebrochen werden.
Dirigent Francesco Lanzilotta, der relativ weit vom Orchester entfernt, fast näher bei der Bühne steht, nimmt durchgehend, besonders in den Rezitativen, ganz schnelle Tempi, wobei die SängerInnen ihre Vortragskünste besonders artistisch hervorkehren können. Die Arien setzen dagegen jähe Zäsuren, sind oft ausnehmend langsam genommen und geben damit konstrastreiche Welten wieder. Dabei bekommen auch Soli-Begleitungen wie Horn besonders plastisch zum Tragen, während sonst das Orchester eher nicht so farbig herüber kommt. Nun aber zur Regie. Davide Livermore, der auch für die Bühne und die ganze Ausstattung verantwortlich zeichnet, läßt die gegensätzlichen Welten im Don Giovanni aufeinanderprallen. Die materiell hiesige des Dons wird in einem gelben Taxi gesteuert, während der Komtur seine transzendentale Aura in einer schwarzen Limousine bühnengerecht auffahren läßt. Sie kommen in oft schnellem Tempo angefahren, es scheinen aber E- Autos zu sein, da sie nicht soviel Krach dabei machen. Am Anfang stehen sich dann die Parteien in einer Schießerei mit Pistolen wegen Donna Anna gegenüber, die für den Komtur tödlich ausgeht. Nach Donna Anna im schwarzen Neglige tritt donna Elvira in roten Kleidern auf (Kostümassistenz: Stefanie Putegnat), hat aber gleich eine gleich gekleidete Tanztruppe mit dabei. Aber auch der Don hat eine auf ihn eingeschworene Girls & men- Truppe zu eigener Verfügung, es sind TänzeInnen nur mit durscheinend schwarzen Überwurf über den Kopf, der etwa bis zur Hüfte reicht. Der bäuerliche derb gekleidete chorale Anhang bei Zerlina und Masetto bildet hier wieder einen schlagenden Gegensatz.
Zerlina ist Lavinia Bini mit wirklich nettem runden Sopran. Davide Giangregorio fügt sich als ihr Masetto warm baritonal gut ein in anregend gestelltem Spiel. Leporello Tommaso Barea hat einen gut sitzenden Baßbariton, zu seiner Registerarie werde alle Mädchen & Frauen an die breite Bühnenrückwand projiziert. Auch andere Emtionen werden groß projiziert, Meereswellen, Wolken- Agglomerationen (Videomaker D-Wok). Valentina Mastrangelo kann in dieser querständigen vertrackten Rolle ganz toll reussieren mit griffigem marmornem Sopran, den sie in höchste Höhen und gewagteste Koloraturen bei schwindelnden Tempi führt. Komtur Antonio di Matteo ist mit voluminös halligem Baß immer zur rechten Stelle präsent. Giovanni Sala wartet mit angenehm timbriertem Tenor auf und verändert seine Arien bei den Reprisen auf unerhörte Weise. Mattia Olivieri ist ein junger drahtiger erfolgsverwöhnter Don, kein abgetakelter und von seinen Sünden gepeinigter Mönch, wie zuletzt in Karlsruhe gesehen. Mit schwarz funkelndem Baßbariton und gewagten (Auto)manövern rollt er die Szene auf. Donna Anna Karen Gardeazabal führt das Ensemble wie aus einem Guß mit schön durchgebildetem leuchtendem Sopran an bei sprühenden Koloraturen und als einnehmende Person auch im schwarzen Reifkleid. Man versteht nicht so recht, warum sie sich noch ein ganzes Jahr der Trauer widmen will. –
Ein einzigartiger Abend trotz Kälte nach einem Gewitter.
Friedeon Rosén