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LUZERN/ Theater: MAURICIO KAGEL – Von geländegängigen Schwanenkindern und anderen Merkwürdigkeiten

09.09.2021 | Oper international

Mauricio Kagel: Staatstheater • Luzerner Theater • Vorstellung: 08.09.2021

 (2. Vorstellung • Premiere am 05.09.2021)

 Von geländegängigen Schwanenkindern und anderen Merkwürdigkeiten

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Foto © Ingo Hoehn

Als Startschuss der Intendanz Ina Karrs am Luzerner Theater und erste Musiktheater-Premiere der neuen Saison bringt Operndirektorin Lydia Steier eine fulminante Inszenierung von Mauricio Kagels «Staatstheater» als Szenische Schweizer Erstaufführung. Nicht nur sind wie von Kagel vorgesehen sind in dem von 1967 bis 1970 als Auftragswerk für die Staatsoper Hamburg alle Sparten des Hauses beteiligt, sondern Steiers Inszenierung dehnt sich in den Stadtraum hinein aus.

Als Kritik am bundesdeutschen Staatstheaterwesen entzieht Kagels »Szenische Komposition» allen gängigen Kriterien und so kann eine Kritik genauso wenig gängigen Mustern folgen. Für »Repertoire», den ersten Teil, hat sich Steier aus Kagels reichem Angebot, so der «Wegweiser Staatstheater», eine Erklärung des Abends, die jeder Zuschauer erhält, «19 assoziative und sinnfreie Welten» ausgesucht, die in drei über die Stadt verteilten Containern gespielt und live ins Theater übertragen werden. Für die Assoziationen ist ein gutes Mass an Phantasie erforderlich; dass die Welten doch nicht ganz sinnfrei sind, ahnt der Zuschauer, denn einige Figuren tauchen mehrfach auf. Teile aus «Einspielungen», «Ensemble» und «Saison» bilden den zweiten Teil des Abends mit den Auftritten der in bester Brechtscher Manier verfremdeten Opernfiguren. Als der Klamauk Überhand zu nehmen und selbst den geduldigsten Zuschauer zu nerven droht, kommt die Auflösung der Inszenierung (und die Bestätigung, dass der Abend nicht ganz so sinnfrei ist, wie Kagel es sich gewünscht haben mag): der Dramaturg hat seinen Auftritt. Gehörig verfremdet versucht dem Publikum mit einer PowerPoint-Präsentation anhand des Wikipedia-Eintrags zu erklären, was «Theater» ist. Auch wenn er dabei brutal unterbrochen wird, das Licht geht und die Türen werden geöffnet: Die Inszenierung kann er noch erklären. Das Publikum erlebt eine «Theatergeschichte rückwärts in drei Teilen». Was macht Theater aus? Was ist die Theater? Die Antwort auf diese Fragen gibt sie verfremdet mit Kagels Oeuvre, das mit der Tradition der Sehgewohnheiten spielt. Bevor das Publikum den kultischen Ursprüngen des Theaters entsprechend in der Franziskanerkirche St. Maria in der Au den dritten Teil des Abends erlebt, stellt es eine Karfreitagsprozession nach und wird so selbst zu Mitwirkenden. Der dritte Teil enthält Aktionen aus «Debüt» und mündet in ein munteres Bacchanal.

Für diesen intensiven Abend gilt es allen Mitwirkenden einen grossen Dank auszusprechen. Stellvertretend sei hier der Dirigent Stefan Schreiber genannt.

Ein beeindruckender, intensiver Abend!

Weitere Aufführungen:

Do 09.09., 19.30 – 21.45; Fr 10.09., 19.30 – 21.45; Sa 11.09., 19.30 – 21.45;

Do 16.09., 19.30 – 21.45; Fr 17.09., 19.30 – 21.45; Sa 18.09., 19.30 – 21.45; So 19.09., 19.00 – 21.15.

09.09.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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