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LUZERN/ Theater: MÄRCHEN IM GRAND HOTEL von Paul Abraham.

„Märchen im Grand Hotel“ im Grands Hotel

31.10.2019 | Operette/Musical

Paul Abraham: Märchen im Grand Hotel, Luzerner Theater, Vorstellung: 30.10.2019

 (2. Vorstellung seit der Premiere am 26.11.2019)

„Märchen im Grand Hotel“ im Grands Hotel

 

Regisseur Bram Jansen (Inszenierung und Konzept) hat mit seiner Luzerner Umsetzung von Paul Abrahams «Märchen im Grand Hotel» grossartige Arbeit geleistet und bietet beste Unterhaltung. Auf der Suche nach einer passenden Operette stiess man in Luzern, das als Tourismus-Hotspot der Schweiz gleich mehrere Grand Hotels zu bieten hat, auf die nach seiner «populären Trilogie» («Viktoria und ihr Husar», «Ball im Savoy» und «Die Blume von Hawaii») und kurz vor seiner erzwungen Emigration entstandene Operette Paul Abrahams. Um die (unter massgeblicher Beteiligung der Komischen Oper Berlins) beginnende Abraham-Renaissance zu befeuern durchaus eine passende Wahl, denn Abrahams Leben vor allem nach dem «Märchen im Grand Hotel» spielte sich weitgehend in diesen ab, bevor er dann wegen einer aus Geldnot nicht behandelten Syphilis in psychiatrischen Kliniken und schliesslich 1960, mit einem amerikanischen Sammeltransport nach Deutschland zurückgebracht, in Hamburg vereinsamt und verarmt starb.

Jansen verlegt die Handlung in ein Schweizer Grand Hotel. Der Hoteldirektor hat im Sinne einer Überlebensstrategie entschieden, einen Marketing-Film zudrehen. Das zu passt hervorragend die Beteiligung des Hotels Schweizerhof, die ja letztlich auch nichts Anderes als Marketing ist: In jeder Vorstellung wird ein Doppelzimmer im Hotel Schweizerhof Luzern verlost. Die Bildaufnahmen mit dem Hotel-Personal sind bereits entstanden, nun gilt es, aus Kostengründen wieder unter Mitwirkung des Personals, die Tonspur zu erstellen. Dies wird Sounddesignerin Marylou übernehmen. Damit das den laufenden Hotelbetrieb nicht stört, die Aufgabe muss innerhalb eines Tageserledigt sein, geschieht dies in den herrlich ausgestatteten Kellerräumen des Hotels (Bühne: Robin Vogel). Gegen Ende der Aufführung wird dann ein Zusammenschnitt, die Greatest Hits des Films gezeigt (Video: David Röthlisberger).

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Copyright: Ingo Hoehn

Jansen setzt sein Konzept auf der zweistöckigen Bühne, oben Hotel, unten Keller, konsequent um. Schon die erste Szene beeindruckt: Kellner Albert setzt sich ans Klavier und sinnt gestenreich den Melodien nach: ein bisschen Abraham, der Komponist, aber auch ein bisschen Abraham, der Kranke, der nicht mehr bei sich ist, in New York auf einer Kreuzung steht, den Verkehr regelt und ein Orchester zu dirigieren glaubt. Hat Hotel-Direktor Chamoix das Projekt des Werbefilms erklärt, beginnt das Orchester die Instrumente zu stimmen. Das Märchen im Grand Hotelkann beginnen. Die Umsetzung des Konzepts überzeugt dann in mehrfacher Hinsicht: die Einbindung der eigentlichen Handlung ins Regiekonzept, das Verknüpfen der Handlung mit dem Mikrokosmos Hotel und nicht zuletzt die Thematisierung des Thema Tourismus. Ein langjähriges Zimmermädchen übernimmt bei den Tonaufnahmen die Rolle der Infantin Isabel und Albert ist, in der Handlung wie im Konzept Zimmerkellner, heftigst in sie verliebt. Das Thema Massentourismus wird mannigfaltig angesprochen, sei es durch die Gruppe asiatischer Touristen, die sich in den Keller verirrt, die Klage des Kochs (der beiden Tonaufnahmen den Albert singt) über eine negative Bewertung wegen einer verspäteten Pizza, die Bemerkung des Zimmermädchens tagtäglich die Szenerie vorzubereiten, auf der die Gäste ihre Spuren hinterlassen können, oder der Verkauf des Hotels an einen arabischen Investor, damit Zimmerkellner Albert, in Wahrheit Sohn von Hoteldirektor Chamoix, zu einem (wenn auch nur arabischen) Adelstitel kommt, um die Infantin Isabel heiraten zu können. Am Schluss sitzt Albert allein im Keller vor einem alten Fernsehapparat und sieht den Film – schwarzweiss und irgendwie ein bisschen an «Ein Herz und eine Krone» erinnernd. Es war doch nur ein Märchen. Ein Märchen im Grand Hotel.


Copyright: Ingo Hoehn

Das Konzept überzeugt auch von der theaterpraktischen Seite her: Da man kein Revueensemble hat, ist Marylou als Sounddesignerin auch für die Geräusche im Film zuständig und übernimmt die Stepptanzeinlage kniend mit zwei Stöckelschuhen in der Hand.

Die Sänger sind mit Mikroports ausgerüstet, das Orchester dürfte teilweise verstärkt sein. Für das Sounddesign ist Jorg Schellenkens verantwortlich. Angesichts des spärlich besetzten Theaters sind einzelne Stimmen deutlich übersteuert. Hier wäre etwas mehr Feinabstimmung angebracht.

Das Luzerner Sinfonieorchester unter Leitung von William Kelley bewältigt die Partitur mit dem nötigen Schwung und Schmiss.

Tora Augestad als Marylou ist fast permanent auf der Bühne und in ihrer Rolle als Sounddesignerin quai Regisseurin des Abends. Ihre Stimme wirkt leider oft schrill und scharf. Heidi Maria Glössner gibt eine routinierte Isabella. Samuel Streiff als Albert ist die zweite Stütze des Abends und lässt einen wunderbar leichten, hellen Tenor hören. Robert Maszl gibt mit österreichischem Charme den Andreas. Jason Cox als Chamoix outriert arg: Wesentlich weniger wäre hier wesentlich mehr. Von Vuyani Mlinde als Lossas und en travestie als Hofdame hätte man gerne mehr gehört. Giulia Bättig, Norma Haller, Chiara Schönfeld und Anna Vogt bilden das Quartett der Trainées und ergänzen jugendlich-frisch und stimmschön das Ensemble.

Beste Unterhaltung!

Weitere Aufführungen: So 03.11.2019: 19.00-21.30; Do 07.11.2019: 19.30-22.00;

Fr 15.11.2019: 19.30-22.00; So 17.11.2019: 13.30-16.00; Do 21.11.2019: 19.30-22.00

Sa 23.11.2019: 19.30-22.00; Fr 29.11.2019: 19.30-22.00; So 01.12.2019: 20.00-22.30

Sa 07.12.2019: 19.30-22.00; Mo 30.12.2019: 19.30-22.00; So 19.01.2020: 20.00-22.30

So 26.01.2020: 20.00-22.30; Fr 13.03.2020: 19.30-22.00.

 

31.10.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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