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LUZERN/ Theater: LE NOZZE DI FIGARO – very british. Premiere

31.10.2021 | Oper international

Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro • Luzerner Theater • Premiere: 30.10.2021

 The barber’s wedding

Nachdem Wagemut die Saison mit Kagels «Staatstheater» zu beginnen, hat sich die neue Operndirektion des Luzerner Theaters sich nun mit einer ersten «echten» Opern-Premiere vorgestellt. Figaros Hochzeit, «very british» umgesetzt, ist eine absolut überragende Ensembleleistung, die das Zeug hat, Kult zu werden.

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Foto © Ingo Hoehn

Gerard Jones (Regie) lässt seine Inszenierung gegen Ende der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts in einem auf sehr sympathische Art und Weise nicht mehr ganz frischen Landsitz eines englischen Adligen (Bühne: Anna Yates) spielen. Die Wände sind fast bis zur Decke mit Nussbaum-Täfer verkleidet und das ganze «Setting», besonders die herrlichen Kostüme von Donna Raphael, verströmen englische Atmosphäre, so wie man sie aus alten Kriminalfilmen kennt. Der Graf und die Gräfin gehören noch zur alten Generation, das Personal hat, wenn er vom sehr verbreiteten Wagemut unter dem Personal spricht, sehr zum Leidwesen des Grafen, die 68er-Revolution schon mitgemacht. Jones folgt in seiner höchst sensiblen Inszenierung eng dem Libretto und der Musik und so gelingt es ihm, sehr zum Vergnügen des Publikums, Mozarts Meisterwerk erfrischend, ja mitreissend auf die Bühne zu bringen. Die theoretische Unterfütterung mit Gedanken über den Wert von Arbeit, Abhängigkeit und Freiheit («Für wen oder was arbeite ich eigentlich?») ist sicher nicht falsch, aber schlicht überflüssig und wohl Ausbund zeitgeistiger Political Correctness. Marc Hostettler setzt die Bühne mit ihren wunderbaren Details wie dem Geweih-Lüster oder der hinter einer vorgetäuschten Bibliothek befindlichen Bar ins rechte Licht.

Das Ensemble begeistertmit enormer Spielfreude und Bühnenpräsenz wie einer durchgehend hervorragenden Textverständlichkeit. Vladyslav Tlushch gibt mit wunderbar strömendem Bariton einen jugendlichen Conte Almaviva, der aber vom ersten Moment an erkennen lässt, dass er die Herrschaft hat und weiss, was er will. Eyrún Unnarsdóttir gibt die Contessa Almaviva mit ausgesprochen farbenreichem, gepflegt dramatischen Sopran. Tania Lorenzo ist eine Susanna, wie sich ihre Schöpfer vorgestellt haben dürften: resolut, zupackend und einfach liebenswert. Sebastià Peris Figaro mit seinem feinen Charakterbariton passt bestens dazu und braucht eine Susanna, die ihn ein bisschen «organisiert». Solenn‘ Lavanant Linkes Cherubino ist ein szenisch eher stilles Wasser, musikalisch mit perfekte geführtem Mezzo umso verführerischer. Marcela Rahal gibt eine herrlich schräge Marcellina: umso glücklicher ist Figaro, als er sie nicht heiraten muss. Robert Maszl glänzt als Don Basilio und Don Curzio, Rainer Zaun (Don Bartolo) macht aus dem lallenden Antonio in dreckverspritzten Gummistiefeln ein wahres Kabinettstückchen. Aline Dätwyler als Barbarina und Hanna Jung und Xenia Romanoff als Due donne dürften stimmlich durchaus prägnanter in Erscheinung treten.

Der Chor des LT, einstudiert von Mark Daver und szenisch als Putztruppe stark gefordert, erledigt seine Aufgabe klangschön und mit viel Spielfreude.

Das Luzerner Sinfonieorchester unter musikalische Leitung von Gabriella Teychenné spielt hochkonzentriert mit sattem Klang einen grossartigen Abend.

Mozart vom Allerfeinsten!

Weitere Aufführungen: https://www.luzernertheater.ch/lenozzedifigaro

30.10.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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