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LUZERN/ Theater: IDOMENEO – RE DI CRETA. Vom Umgang mit unserem Erbe

16.09.2024 | Oper international

Wolfgang Amadeus Mozart: Idomeneo, Re di Creta • Luzerner Theater • Vorstellung: 15.09.2024

(3. Vorstellung • Premiere am 25.08.2024)

Vom Umgang mit unserem Erbe

Mozarts Beste (Oper) lässt sich stimmiger kaum aufführen. Das Luzerner Theater eröffnet die Saison direkt mit einem Wurf und das in szenischer wie musikalischer Hinsicht.

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Foto © Ingo Hoehn

Anika Rutkofsky sieht die Bühne in ihrer Inszenierung als moralische Anstalt im Sinne Schillers. Es gelingt ihr, bar jeder schulmeisterlichen Attitüde, in ihrer Arbeit den Umgang mit den in der französischen Revolution errungenen – und in der Gegenwart Gefahr laufen verloren zu gehenden – Werten zu thematisieren. Rutkofsky zeigt klar, wie Mozart und sein Librettist Giambattista Varesco herausarbeiten, dass nicht mehr Gott, sondern der Mensch sein Schicksal bestimmt, ein Gedanke, der als Lehrspruch «Die Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit» noch geläufig sein dürfte. Realistische, historische Vorlage des Bühnenbilds von Eleni Konstantatou ist die «Salle du Jeu de paume» (Ballhaussaal) in Schloss Versailles, immer wieder ergänzt mit Einblendungen aus der Federzeichnung «Der Ballhausschwur» (1791) von Jacques-Louis David. So gelingt es ihr schlüssig zu zeigen, dass es in dem am Vorabend der Französischen Revolution uraufgeführten «Idomeneo» um ein neues, auf Humanität, Liebe und Verantwortung basierendes Menschenbild geht. Verkörpert werden die beiden Menschenbilder durch die um Idomeneos Sohn Idamante kämpfenden Elettra und Illia wie auch in den Kostümen von Adrian Bärwinkel, der den Vertretern des alten Menschenbilds zeitgenössische Kostüme (sic!) und den Vertretern des neuen Menschenbilds von der Uraufführungszeit inspirierte Kostüme zuweist. Entscheidend ist letztlich Illias Eingreifen am Schluss, wenn sie sich als Ersatz-Opfer für Idamante anbietet. Von Menschlichkeit beseelt, will sie den von einem inneren Seelensturm gepeinigten Idomeneo aus der Verpflichtung den Sohn opfern zu müssen, ausgelöst durch dessen Gelübde Jupiter gegenüber für die Rettung aus schwerer See den ersten Menschen, der ihm an Land begegnet als Opfer darzubringen, befreien. In Rutkofskys Sicht sind selbst die Götter von Illias Menschlichkeit so bewegt, dass sie dann auf das Opfer verzichten und festlegen, dass Idomeneo zurücktreten und Idamante mit Illia herrschen solle. David Hedinger-Wohnlich setzt die von mustergültiger Personenführung und Konzentration auf die Emotionen der Protagonisten geprägte Arbeit Rutkofskys in eindrucksvolle Lichtstimmungen.

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Der Ballhausschwur. Lavierte Federzeichnung von Jacques-Louis David, 1791.
Von Jacques-Louis David – http://collections.chateauversailles.fr/#ab1256a3-7143-43d9-b317-3bb58e03a1d2, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=641013

Das Luzerner Sinfonieorchester unter Jonathan Bloxham musiziert einen quicklebendigen, kernig-frischen Mozart. Die Musik sprüht nur so von Leben, dass man Mozart gleich vor dem inneren Auge sieht, und die kräftige Akzente des Schlagwerks verleihen dem Klang barocke Wucht. Und bei all dieser Pracht und Bloxhams ideal austarierten Tempi bleiben die einzelnen Register immer gut hörbar. Mozarts Partitur wird in jedem Detail mustergültig umgesetzt. Mitreissender, virtuoser kann man Mozarts Oper nicht spielen.

Ben Johnson gibt mit souverän geführtem, ideal zwischen heldischem Aplomb und lyrischem Schmelz einen mustergültigen Kreter-König. Josy Santos ist als Idamante schlicht eine Idealbesetzung: Mit farbenreichem Mezzo und grosser Natürlichkeit erreicht sie eine überragende Bühnenpräsenz. Eyrún Unnarsdóttir überzeugt mit ihrem flexibel geführten und absolut höhensicherem Sopran als natürlich dramatische Elettra. Tania Lorenzo Castro gibt mit warmem, leuchtenden Sopran eine Illia, die die neuen Werte auch musikalisch auslebt. Luca Bernard als Arbace und Robert Maszl als Oberpriester ergänzen das superbe Ensemble.

Ein intensiver, schwer beeindruckender Abend: Absolute Empfehlung!

Weitere Aufführungen:

So. 22.09.24, 17.00; Do. 26.09.24, 19.00; Sa. 28.09.24, 19.00; So. 06.10.24, 15.00; Fr. 25.10.24, 19.00.

16.09.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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