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LUZERN/ Theater: DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN – öffentliche Generalprobe und dann keine Premiere

12.12.2020 | Oper international

Das schlaue Füchslein, eine Oper von Leoš Janáček. Öffentl. GP am 11.12.2020

 Nun hat es nicht nur die Füchsin erwischt!

Eine Generalprobe wird zum mystischen Abschied von der Möglichkeit des Kulturgenusses. Am 11. Dezember 2020 wurde am Luzerner Theater die Generalprobe der Oper von Leoš Janáček „Das schlaue Füchslein“ noch durchgeführt. Wenige Stunden zuvor wurde auch in Luzern der Lockdown verhängt verbunden mit der Absage der Premiere und deren Verschiebung ins Ungewisse. In Zeiten der Pandemie wird es besonders deutlich, was die Kunst gerade im Theater und Oper den Menschen bringt. Vor allem diese Oper beschäftigt sich mit der Vergänglichkeit der Natur und den regulierenden Prozess ihrer selbst.

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Diana Schnürpel als schlaue Füchslein, Foto Ingo Höhn

Die Oper erzählt vordergründig das Schicksal einer vom Förster (Claudio Otelli) eingefangenen Füchsin (Diana Schnürpel), die auf seinem Hof heranwächst, dann aber in den Wald entflieht. Parallel dazu nehmen die Schicksale der mit der eigenen Unvollkommenheit kämpfenden Menschen ihren Lauf und sind in einer Fabel eng mit dem Geschehen in der Tierwelt verwoben.

Der Förster hat ein Verhältnis mit dem (Zigeuner)- Mädchen Terynka, während seine Frau (Caroline Vitale) mit dem vermutlich von der Füchsin, die Terynka und wohl auch die Freiheitsliebe symbolisiert, ins Haus gebrachten Ungeziefer kämpft. In diese Terynka, die nie auf der Bühne erscheint, sind auch der Dorfschullehrer (Robert Maszl) und der Pfarrer (Flurin Caduff) verliebt. Doch letztlich gewinnt der Landstreicher und Wilderer Háraschta (Vuyani Mlinde) ihre Gunst. Der Pfarrer lässt sich, um der Anfechtung zu widerstehen, an einen anderen Ort versetzen, der Dorfschullehrer verdrückt eine stille Träne und der Förster nimmt in der Natur Abschied von seinen Jugendsünden.

Dieses Geschehen in der Menschenwelt offenbart sich nur in Andeutungen, ist eingebettet in die Naturschilderung, die das ganze Werk durchzieht. Die Füchsin wird im Wald gefangen und kämpft auf dem Hof des Försters um ihre Freiheit: gegen die Kinder, die sie ärgern, den lüsternen Dackel (Robert Maszl; der für den Förster steht), den Hahn (Daniel Foltz-Morrieson), der wie der Dorfschullehrer Disziplin fordert und den sie schließlich erwürgt. In der darauffolgenden Panik gelingt der Füchsin die Flucht. Im Wald vertreibt sie den Dachs (Flurin Caduff; der für den Pfarrer steht) aus seiner Höhle und findet ihren Fuchs (Talya Lieberman), der mit erlesenen Umgangsformen um sie wirbt. Von einem folkloristischen Klangbild des Chors der Tiere – leider stark reduziert wegen der Pandemie- begleitet feiern beide die Hochzeit.

Bald darauf führt die Füchsin ihre Kinder in die Gefahren des Lebens ein und lehrt sie, die Falle des Försters zu meiden. Doch dann findet sie in dem Wilderer Háraschta einen Gegner, der sie schließlich niederschießt. Aus ihrem Fell wird ein Muff, der sich als Hochzeitsgeschenk für Terynka eignet. Der Förster lässt dies geschehen, akzeptiert das Wirken der Natur. Im Wald blickt er auf das Geschehene zurück. Er sieht ein Kind (Diana Schnürpel) der Füchsin und einen Frosch (Hanna Jung), der gar der Enkel dessen ist, der ihm am Anfang der Handlung ins Gesicht gesprungen ist. In der Einfachheit des Alltäglichen endet das Tongemälde vom Wirken der Natur, in dem sich auch die menschliche Seele von ihren Verstrickungen lösen kann.

Soweit die Oper über die es sich trefflich philosophieren lässt. Sie wurde inszeniert am Luzerner Theater von Deborah Epstein. Sie hält sich weitgehend und wohltuend an die Fabel und legt ein großes Augenmerk auf dem Tierschutz, wenn nicht nur die Füchsin erschossen wird, sondern in diesem Moment die vielen toten Füchsen von Himmel fallen. Eine Frage sei hier aber gestattet. Wie sieht es mit den Sängern und Sängerinnen aus? Wird während der Produktion genug auf sie aufgepasst? Gibt außer Masken, die sie während der ganzen Probezeit tragen mussten, noch andere Schutzmaßnahmen für wie beim Sport? Und die weitere Frage drängt sich mir zwingend auf, die ich schon oft stellen wollte und viele Inszenierungen nicht nur am Luzerner Theater betrifft, aber hier in der Betrachtung und Abwägung einzelner Rechte genau passt, warum müssen die Sänger und Sängerinnen immer auf allen „Vieren“ kriechen? Weiß man doch, dass es hierdurch nicht nur blaue flecke und dicke Knie gibt. Die Fabel ist ansonsten recht schön erzählt, leidet aber teilweise an einer etwas fehlenden Transparenz. Für die eher sehr schlichten Kostüme zeichnet Sabine Blickendorfer die Verantwortung. In dem Wald entführt uns die Bühnenbildnerin Natascha von Steigen. Unterstützt wird das ganze Geschehen auf der Bühne durch die Einspielung von Videos von Eleonora Camizzi.

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Szenenfoto mit Claudio Otelli, Foto Ingo Höhn

 Die Oper ist musikalisch keine leichte Kost und gilt als eine der originellsten Schöpfungen Janáčeks. Die Orchesterbehandlung ist lyrischer und weniger „expressionistisch“ als in anderen Werken aus Janáčeks später Schaffensphase. Neben Anklängen an den Impressionismus sind Anregungen aus der mährischen Folklore deutlich spürbar. Intervallische Keimzelle der verwendeten Themen und Motive bildet häufig eine große Sekunde, Janáčeks charakteristischer Personalstil folgt auch hier seiner „Theorie der Sprechmelodie“. Mit dem Luzerner Sinfonieorchester hat das Luzerner Theater immer eine wirkliche Bank für die Umsetzung. Am Pult stand Clemens Heil. Schon bei dem Abschlusskonzert des Festivals „Musiksommer am Zürichsee“ zeigten die Musiker des Orchesters mit welch großer Hingabe sie auf die Situation reagieren. Es bleibt ein Ohrenschmaus, obwohl auch die volle orchesterstärke der Pandemie zu Opfer fiel.

Das größte Lob und die größte Anerkennung müssen die oben aufgeführten Sänger*innen und alle weiteren, die als Tiere aus dem Opernchor noch dabei waren, bekommen. Acht Wochen Probenqualen mit Maske. Jeden Tag für ihre Gesundheit riskierend, da sie sich der größten Belastung auf der Bühne aussetzen, einfach großartig und mutig. Aber natürlich ist dies nicht das Einzige, was sie auszeichnet. Spielerisch schon ein lustiges Treiben, was sie uns schenken und gesanglich recht geschlossen, wo mir nur wenige noch positiver aufgefallen sind.

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Claudio Otelli und Diana Schnürpel, im Hintergrund Robert Maszl, Foto Ingo Höhn

Allen voran das schlaue Füchslein Diana Schnürpel. Neben ihrer immer großen Spielfreude brillierte sie mit hervorragender Diktion und sauberer Intonation ohne unnötige Vibrati. Ihre Mimik, Gestik und Körpersprache überzeugen. Auch Talya Lieberman gibt einen überzeugenden Fuchsgemahl ab. Von den Sängern fielen besonders Flurin Caduff und Robert Maszl auf. Letztgenannter überzeugte mit einer großen Präsenz auf der Bühne, wogegen Flurin Caduff einen überaus wohlklingenden, samtenen Bassbariton uns schenkte. Claudio Otelli überzeugt mit seiner körperlichen Größe, lies es aber an einer Modulationsdynamik fehlen, nur seine einzigartige Lautstärke ist nicht überzeugend genug.

Ich wünsche dem Ensemble, dass es bald seine Premiere nachholen kann um sein Publikum zu verzaubern.

Carl Osch

Luzern, den 12. Dezember 2020

 

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