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LUZERN/ Luzerner Theater/Globe Bühne: IL BARBIERE DI SIVIGLIA. Rossini spuckt man nicht in die Suppe! Premiere

26.09.2020 | Oper international

Opern-Premiere am Luzerner Theater: Rossini spuckt man nicht in die Suppe! 25.09.2020


Bartolo (Flurin Caduff) kämpft mit seiner aufmüpfigen Tochter Rosina (Diana Schnürpel) ©Ingo Hoehn

 Nachdem das Luzerner Theater mit dem Stück „Maria de Buenos Aires konzertant unter der musikalischen Leitung von William Kelley gefühlsvoll in die Spielzeit gestartet ist, ist auch gerade in Zeiten der Pandemie der Wunsch groß nach großer Oper. Doch wie kann es gehen, gibt es viele Hygiene-Regeln, die Einzuhalten sind. „Il barbiere di Siviglia“ drohte der Pandemie zum Opfer zu fallen. Von der ursprünglich geplanten Produktion ist das Fragment einer in sich gedrehten Wendeltreppe von Jakob Brossmann geblieben und als neue Verpflichtung für die Regie der junge Martin G. Berger, der vor die unlösbare Aufgabe gestellt wurde, innerhalb von nur zwei Monaten doch bitte eine ansprechende Oper dem Publikum zu präsentieren. Diese eher schlechten Voraussetzungen lassen aber die Opera Buffa zu einem großen Erfolg werden. Die Inszenierung thematisiert die Zeit des Virus und die Befreiung von Ängsten und Repression mit viel komödiantischer Spielfreude.

Zeitgemäß und in die ferne Zukunft versetzt Berger das Stück in einem Kampf gegen eine kontaktlose Zeit, ohne Berührung und der Sehnsucht danach und der Überwindung von der kaum begreiflichen Reglementierung der Gesellschaft aufgrund des Virus. Aufgrund des vergebenen Zeitlimits der Hygiene-Auflagen musste das Stück erheblich gekürzt werden. Auch der Bühnenaufbau unterliegt diesen Regeln. Unvorstellbar ist der Graben nicht bespielbar, so dass die Musiker hinter dem Bühnenbild der Treppe sich einfügen mussten.

Die ersten Anzeichen einer dennoch großen Aufführung machten neben dem doch beeindruckenden Bühnenbild der Treppe, die sich auch noch drehte, die Kostüme. Sarah-Katharina Karl zauberte zeitlose aber doch irgendwie futurischen Gewänder des Abends. So kreierte sie für die Hygiene-Polizei spacig anmutenden Anzüge und weiße Gewänder mit Hüten mit Gesichtsschutz. Die Hauptprotagonisten wichen aber hiervon auffällig ab. Etwas Flower-Power kam hier auf.


Figaro (Eungkwang Lee). ©Ingo Hoehn

Die neue Geschichte des Barbieres ist schnell erzählt. Alles Menschen im Reich des Grafens Almaviva müssen sich an den kontaktlosen Umgang jederzeit halten, was auch trotz Wohlstand zunehmend auf Ablehnung stößt. Der Wunsch zur Berührung entsteht und wird auch von Verschwörungstheoretischen geteilt. Eine kleine Gruppe unter Führung des Figaros (Eungkwang Lee), Fiorello (Robert Maszl) versuchen Rosina (Diana Schnürpel) aus der Isolation, die ihr Vater Bartolo neben aller Hygiene-Vorschriften eisern verteidigt, zu befreien.

Ein plan muss her. Figaro und Fiorello wollen den Graf Almaviva (Hyojong Kim) durch den Anblick der schönen Rosina damit infizieren, der Lust des Fleisches nachzugeben und das Verbot der Berührung, das schon vom längst verstorbenen Vater des Grafens gegen das Virus aufgestellt wurde, aufzuheben. Don Basilio (Vuyani Mlinde) übergeht als erster das Verbot und vergnügt sich körperlich mit Berta (Camila Meneses). Das Stück lässt sein Publikum anfangs herzlichst Lachen und trotz seines Slapsticks kippt es nicht ins lächerliche. Der Aufstand der Tochter, der den Hüter der Hygiene-Regeln mit ihrem Nießen auf Trapp hält, ist hier nur ein Beispiel. Ein feiner Grad wurde gewahrt und spiegelt gekonnt die Opera Buffa.


Der Graf (Hyojong Kim) desinfiziert Bartolo  (Flurin Caduff). ©Ingo Hoehn

Garant für diesen Erfolg, dass das Publikum am Schluss eben doch eine Oper von Rossini erleben durfte, war der 1. Kapellmeister Alexander Sinan Binder, der sein musikalisches Feingefühl bereits in der Oper „Orfeo ed Euridici“ unter Beweis stellte. Mit einem Orchester von nur 13 Musiker und hinter der Treppe ohne Blick auf die Sänger und Sängerinnen gelang es ihm die Musik zusammenzuhalten und die Sänger durchwegs zu Höchstleistungen anzutreiben. Verstärkt wurde dieser Effekt durch das Globe, wo sich das Publikum auf der Bühne sitzend befand. Ein einmaliger Präsenz wurde hier der Sänger*innen ermöglicht.

Gepaart mit der Spielfreude und viel komödiantischen Geschick glänzte das Ensemble geschlossen. Herausragend war die Debütantin Camila Meneses, die noch im Gesangstudium steht als Berta. Ebenfalls die in einer höheren Liga singenden Rosina, die liebevoll von der Operndirektorin genannt „La Schnürpel“. Sie überstrahlte den Abend über alles. Unglaublich, wie sie trotz der sportlichen Höchstleistung des Marathonlaufs auf der Treppe, die uns jeden Atem nehmen würde, mit spielerischer Leichtigkeit ihre Koloraturen wie Messerstiche setzen konnte. Bravo!

Die Oper endet mit dem Tod von Bartolo und führt uns nach dem musikalischen Ausflug in die Zukunft der Sehnsucht, auf den Boden des Hier und jetzt zurück. Rossini lässt sich halt doch nicht in die Suppe spucken. Das Premierenpublikum, das auch nur in begrenzter Anzahl teilnehmen durfte, dankte es dafür mit langandauerndem Applaus.

Nutzen sie die Möglichkeit der nächsten Vorstellungen. Es lohnt sich und lässt den kurzen Abend noch kurzweiliger erscheinen.

Luzern, den 26. September 2020

Carl Osch

 

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