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LUZERN/ Lucerne-Festival/ KKL: PORGY AND BESS. Konzertant – Ein bewegend intensiver Abend

26.08.2022 | Oper international

George Gershwin: Porgy and Bess • Lucerne Festival, KKL Luzern • Konzert: 25.08.2022
Ein bewegend intensiver Abend

Neben Mozarts «La clemenza di Tito» steht in diesem Jahr auch Gershwins «Porgy and Bess» zum ersten Mal in seiner Gesamtheit im Konzertkalender des Lucerne Festivals. Bevor sich die Solisten zum Schlussapplaus auf der Bühne einfanden, hatte sich der Saal praktisch komplett erhoben.

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© Peter Fischli/Lucerne Festival

Gershwins Folk Opera passt auf den ersten Blick ganz hervorragend zum diesjährigen Festspielmotto  «Diversity» («Vielfalt»). Hier lohnt sich der zweite Blick aber ganz besonders, denn lang nicht alles was nach Vielfalt aussieht, hat auch mit der in den Blick genommenen Vielfältigkeit zu tun. Zur «Diversity», Vielfalt und Vielfältigkeit, passt, dass «Porgy and Bess» noch nie am Lucerne Festival zu hören war, die Komposition eines weissen, jüdischen Europäers sich dem Leben und der Kultur der Afroamerikaner widmet und die Grenzen zwischen europäischer Klassik und amerikanischem Jazz – in diesem Werk – aufhebt. Die interessanten Fragen werden im Programmheft leider nicht angesprochen: Wie kommt es, dass in einer sozial kaum durchlässigen Gesellschaft wie den USA der 1920er‐Jahre (Rassentrennung «von der Wiege bis zur Bahre»), Edwin DuBose Heyward (1885‐1940), der Abkömmling einer gut situierten, aber durch den Bürgerkrieg verarmten Familie der gehobenen Südstaaten‐Gesellschaft einen im Schwarzen‐Viertel von Charleston spielenden Roman schreibt? Und was hat den in Harlem aufgewachsenen Autodidakten Gershwin bewogen, diese Handlung auf die Opernbühne zu bringen und sich zum Anwalt der afroamerikanischen Kultur zu machen? Zumal die jeweils beschriebene Gesellschaft keine «Diversity» lebt. Die musikalische Vielfalt der Partitur steht
nicht zur Disposition: Im Fehlen von Dialogen eine Verbindung zu Wagner zu sehen ist reichlich banal (dann könnte man auch den Chor «Ha‐da‐da, ha‐da‐da» berücksichtigen), und Verdis «La Traviata» Realismus zu attestieren und darin dann eine Gemeinsamkeit zu sehen, zeugt schlicht von Unwissenheit. Die Lektüre von Dumas Kameliendame und Piaves Libretto würde rasch zu Erkenntnis führen, dass «La Traviata» nichts mit Verismo zu tun hat und Violetta Valery keine Prostituierte (sondern eine Kurtisane) ist.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester unter seinem Chefdirigenten Alan Gilbert spielte hochkonzentriert und setzte die Partitur mit sehr hellem, äusserst präsentem Klang um. Das NDR Vokalensemble überzeugte mit kompaktem Klang und perfekter rhythmischer Umsetzung der Spirituals und Chöre.

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 © Peter Fischli/Lucerne Festival

Die Solisten begeisterten das Publikum mit knisternder Intensität der Umsetzung ihrer Rollen. Allen voran sind hier Morris Robinson als Porgy und Elizabeth Llewellyn als Bess zu erwähnen. Robinson, während dem Konzert immer mit Krücke unterwegs, überzeugte mit seinem raumgreifenden Bass und nicht enden wollendem Atem. Llewellyn lieh ihrer Bess ihrer perfekt fokussierten, intensiven Sopran.
Chauncey Packer singt den Sportin’ Life mit strahlendem Tenor und macht mit seinem komischen Talent aus «It ain’t necessarily so» ein wahres Kabinettstückchen. Golda Schultz, «artist étoile» des diesjährigen Lucerne Festival Clara, leiht Clara ihren strahlenden Sopran und trägt «Summertime» faszinierend intensiv vor. Latonia Moore als Serena, Cameo Humes als Robbins, Mingo, Peter und Krabbenverkäufer, Lester Lynch als Crown, Norman Garrett als Jake und Simon Frazier, Tichina Vaughn als Maria, Lily, Annie und Erdbeerfrau, Fjodor Olev als Detektiv, Leichenbeschauer und Polizist, Kenneth Kula als Jim und Luvo Rasemeni als Leichenbestatter ergänzen das heftig gefeierte Ensemble.

Ein bewegend intensiver Abend.

Jan Krobot

 

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