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LUZERN: LA BOHÈME – Theater pur!

28.02.2015 | Oper

Luzern: „La Bohème“ – Pr.27.2.2015  – Theater pur

 In seiner langjährigen Intendantenzeit, zuletzt am Badischen Staatstheater Karlsruhe, und damit verbundenen eigenen wunderbaren Inszenierungen, man denke nur an „Cyrano de Bergerac“ von Franco Alfano , „Johanna auf dem Scheiterhaufen“ von Arthur Honegger oder „La Traviata“ von Giuseppe Verdi, hat Achim Thorwald niemals selbst Regie geführt bei Puccinis „La Bohème“. Dabei war es ein lang gehegter Traum, den ihm nun der Direktor des Luzerner Theaters, Dominique Mentha, ermöglichte. Wer Achim Thorwald kennt, weiß, dass er sein Handwerk versteht, werkgetreu inszeniert und, da er auch im Schauspielfach zu Hause ist, hervorragende Personenregie leistet. So hat er auch jetzt in Luzern mit minimalem, aber gut durchdachtem Bühnenbild, der Entstehungszeit der Oper (UA 1886) angepassten Kostümen, beides von Christian Floeren, eine fast schon „provokative  klassische Inszenierung“, wie sich Herr Mentha anlässlich der anschließenden Premierenfeier ausdrückte, gezeigt, die an Spannung und vollkommen lebensnaher Wiedergabe nichts zu wünschen übrig ließ.

Es war das junge theaterfreudige Solistenensemble, was mit intensiver Spielleidenschaft, Verinnerlichung der Rollen und – das war die große Überraschung – mit tollen Stimmen aufwarten konnte. Allen voran Jutta Maria Böhnert, die eine hingebungsvolle, berührende Mimi sang, deren Sopranstimme glockenhell und ohne irgendeinem Wackler die Höhen mit Wärme und Wohlklang erfüllte, mit schlanken Tiefen und beglückender italienischer Ariosität eine Darstellung bot, die seinesgleichen sucht. Diese Sängerin sollte man im Auge behalten. Aber auch Carlo Jung-Heyk Cho als Rodolfo verfügt über eine kräftige, schon ins Spinto reichende Tenorstimme, die gleichermaßen zu lyrischen wie dramatischen Tönen fähig ist. Mit seiner jugendlichen Ausstrahlung und gekonnter Rollengestaltung war er ein überzeugender Liebhaber, der angesichts des Todes von Mimi zusammenbrach. Da war keine übertriebene Theatralik, das war so lebensecht, dass man glaubte, er weine tatsächlich an Mimis Bett. Diese Lebensnähe verkörperten auch die Freunde aus der „Scènes de la vie de Bohème“: Carla Maffioletti mit schönem Sopran und kokettem Spiel als Musetta, Szymon Chojnacki mit seriösem ansprechenden Bass als Philosoph Colline, Vater Armin Caduff in den kleineren Partien als Benoit und Alcindor und Sohn Flurin Caduff als Musiker, der tatsächlich einen gepflegten Charakterbariton erklingen ließ. Ein ganz großes Lob gebührt Todd Boyce als Maler Marcello, denn seine Stimme ist so edel timbriert, seine Rollenidentifikation war so mitreißend, dass ein starkes Porträt entstand.

Dieses Zusammenwirken, diese Freude am Singen und am Spielen übertrug sich auch auf Chor, Extrachor und besonders auf die Mitwirkenden der Luzerner Mädchenkantorei und der Luzerner Sängerknaben, die mit Begeisterung ihren Teil zur Aufführung beitrugen. Ein fabelhaftes Sinfonie-Orchester unter der Leitung von Boris Schäfer rundete die Vorstellung ab, die auf erstaunlich hohem, musikalischem Niveau agierte. Als der letzte Ton erklang, war es mucksmäuschenstill im Publikum, dann brauste frenetischer Beifall auf, der beste Beweis dafür, dass Theater ankommt, wenn man es werkadäquat und ohne modernen Schnick- Schnack belässt. Man kann gespannt sein auf Bellinis Oper „Norma“, die in der kommenden Spielzeit mit den beiden Hauptprotagonisten auf dem Spielplan stehen wird.  

  Inge Lore Tautz

 

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