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LUGO (di Romagna)/ Opernfestival: MORO PER AMORE von Alessandro Stradella

14.09.2021 | Oper international

LUGO (DI ROMAGNA)/ ROSSINI OPEN FESTIVAL: MORO PER AMORE von Alessandro Stradella am 11.9.2021

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Dass Gioacchino Rossini in Pesaro geboren wurde, ist allgemein bekannt.Weniger bekannt ist, dass das ca. 100 km entfernte Städtchen Lugo, wohin er im Alter von 10 Jahren mit den Eltern zog, weitaus wichtiger, ja entscheidend für sein weiteres Leben war. Denn hier sang er mit der geliebten Mutter im Kirchenchor, hier bildeten ihn die Brüder Malerbi zum Musiker aus, hier lernte er in deren Bibliothek die Werke von Mozart und Haydn kennen und hier verfasste er vor allem seine allererste Komposition: Sei Sonate a Quattro für zwei Violinen, Violoncello und Kontrabass.

Der Rest ist Musikgeschichte.

Da das nach ihm benannte wunderschöne kleine Theater derzeit wegen Erdbebensicherheitsverbesserungsmassnahmen ausser Betrieb ist, hat man sich in Lugo entschlossen, den Sommer über das sogenannte ROSSINI OPEN FESTIVAL zu veranstalten.

Open weil Open Air und Open, weil verschiedenen Musikstilen aufgeschlossen.Rossini gabs dabei leider wenig, dafür aber so „niederschwellige“ und populistelnde Angebote wie „NEXT VERDI“ (Pop und Rockversionen von Verdis Greatest Hits) oder „WENN BACH DAS SAXOPHON GEKANNT HÄTTE“ (Bearbeitungen für ein rein weibliches Saxophonquartett)

Gespielt wurde an zwei sehr charmanten Orten: dem Garten der Villa der Brüder Malerbi (ja, genau die !) und im Kloster der „Collegiata“. Hier fand auch das ohne Zweifel bedeutendste Konzert des Festivals statt: die „halbszenische“ Aufführung von Alessandro Stradellas letzter Oper : MORO PER AMORE.

Alessandro Stradella (1644 – 1682) war eine der produktivsten und unkonventionellsten italienischen Komponisten. Bedauerlicherweise führte er auch einen etwas unkonventionellen Lebenswandel, der es mit sich brachte, dass er in Genua (wahrscheinlich von einem Auftragskiller eines eifersüchtigen Rivalen) auf offener Strasse niedergestochen wurde.

Salvatore Sciarrino, einer der erfolgreichsten und meistgespielten Komponisten unserer Zeit hat bekanntlich ein Faible für gewalttätige Musiker-Viten (man erinnere sich an seine rund um die ganze Welt aufgeführten „luci miei traditrici“ über den Madrigalmeister Gesualdo da Venosa, der seine auf frischer Tat beim Ehebruch ertappte Gattin persönlich erstochen hat – und natürlich auch ihren Liebhaber).

Daher überrascht es nicht, dass er unlängst (für die Mailänder Scala und die Staatsoper Berlin) ebenfalls eine Oper über Alessandro Stradella verfasst hat: “ Ti vedo, ti sento, mi perdo “ (Ich sehe dich, ich spüre dich, ich verliere mich).

Sciarrino ist es in gewisser Weise auch zu verdanken, dass es zu dieser halb-szenischen (aber sehr gut gelösten) Produktion von „Moro per l’amore“ gekommen ist. Denn er hält den „Moro“ für die beste Oper Stradellas und vermochte es dadurch, den Stradella-Spezialisten Andrea De Carlo (der in Nepi, Viterbo und Umgebung ein ihm gewidmetes Festival gegründet und auch schon viele CD-Aufnahmen gemacht hat) zu überzeugen, den „Moro“ endlich live zu präsentieren.

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Andrea De Carlo und Ensemble

Die Handlung: Floridoro, Prinz von Cypern, verkleidet sich als Mohr Feraspe und lässt sich in Ketten an den Hof von Eurinda, der Königin Siziliens bringen. Die wunderschöne Königin verliebt sich prompt unsterblich – trotz (oder wegen?) seines niedrigen Standes und seiner dunklen Hautfarbe – in den falschen „Sklaven“….. Und, keine Angst; es geht natürlich alles gut aus.

Der Unterzeichnete gesteht, dass er sich schon allein des Titels wegen in diese Oper verliebt hat: „Moro per amore“: wie das schon vokalalliterierend klingt ! Und dann noch die (natürlich nur im Italienisch funktionierende Doppelbedeutung: „Mohr aus Liebe“ bzw. „Ich sterbe für die Liebe“.

Hach, wie schön !

Gott sei Dank ist aber nicht nur der Titel enthusiasmierend, sondern natürlich vor allem das Werk selbst.

Stradellas Musik zu diesem kecken Libretto von Flavio Orsini ist durchgehend inspiriert, die Gefühlsschattierungen, zu denen er in seinen Arien fähig ist, gehen bei weitem über das zu seiner Zeit gängige standardisierte Ausdrucksrepertoire hinaus.

Und Andrea de Carlo und sein Stradella Young Project Orchesta performen diese Komposition sowohl historisch informiert als auch mit persönlicher, bei nachlassender Verve so vorbildlich, dass keine Sekunde lang Langeweile aufkommt.

Und auch die Sänger sind, obwohl sehr jung und aus vielen verschiedenen Nationen kommend, ihrer Aufgabe sowohl gesanglich als auch spielerisch vollkommen gewachsen: Joanna Radziszewska (Eurinda), Danilo Pastore (Floridoro/Feraspe), Margarita Slepakova (Lucinda), Masashi Tomosugi (Rodrigo) u.v.a.m….

Man würde sich wirklich wünschen, diese Ausnahmeoper auch bei uns auf den Bühnen zu sehen.

Aber dazu wird es im Zeitalter des PC-Faschismus schon allein wegen des Titels nicht kommen. Das würden die Dummköpfe, die ja schon die Kleine und die Große Mohrengasse und die U-Bahnstation Mohrengasse und die Mohren-Apotheke und und und umbenennen wollen (dumm deswegen, weil ja das Wort Mohr 1. nie einen Schwarzafrikaner, sondern einen Mauren=einen muslimischen Nordafrikaner bezeichnet hat und 2. nie ein Schimpfwort war – würde man sonst eine A p o t h e k e danach benennen?), würden das n i e zulassen.

Da erleben wir schon eher, dass Antonio Salieris wunderbares, ganz dem Geist der Aufklärung verpflichtetes Singspiel „Die Neger“ aufgeführt wird…

Robert Quitta, Lugo

 

 

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