Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

LÜBECK/ Musik- und Kongresshalle: DAS WUNDER DER HELIANE von Erich Wolfgang Korngold. Konzertante Aufführung

28.03.2019 | Oper


Cornelia Ptassek, Zurab Zurabishvili, Aris Argiris. Foto: MuK Lübeck/Patrik Klein

Lübeck: „DAS WUNDER DER HELIANE“ . Konzertante Aufführung am 26.03.2019

Der wunderschönen Hanse-Stadt Lübeck wiederum einen Besuch abzustatten bewog mich natürlich insbesondere die konzertante Aufführung der Oper „Das Wunder der Heliane“ von Erich Wolfgang Korngold zu besuchen. Als Räumlichkeit des überwältigenden Geschehens erwählte man die Musik- und Kongresshalle,  eine gute Wahl denn die gute Saal-Akustik  unterstrich die Wiedergabe und musikalischen Dimensionen des Werkes auf das Beste. Auch sei allen Verantwortlichen gedankt das expressionistische Mysterienspiel in seiner opernhaften Übersteigerung in konzertanter Form aufzuführen welches sich nur schwerlich  authentisch und szenisch glaubwürdig umsetzen ließe. Denn die metaphysische Textur, in welcher Tote wiedererweckt in mythischer Verklärung zum Himmel streben, will nicht mehr so recht in unsere Zeit passen und jeden Regisseur vor eine besondere Herausforderung stellen würde. Dem wurden jedoch die großartigen Sänger-Darsteller dank ihrer dezenten Gestik und Mimik in Kenntnis der Materie voll gerecht und ließen jegliche eventuelle desorientierten Szenarien außer Acht.

So manche musikalische Phrase stimmte mich schon nachdenklich, was dachte sich Korngold zur Komposition dieser absoluten Herausforderung an Sänger und Musiker? Denn der Tonsetzer setzte mit dieser Oper exzessiv kühne Maßstäbe in Sachen Tonalität, vereinte in seiner Partitur Expressives mit harmonischen Couleurs, Pathos, Leidenschaft schier an grenzwertige Möglichkeiten der musikalischen Umsetzung und forderte von Sängern und gleichwohl Orchester nahezu das Unmögliche.

Jedoch dem wurden ganz besonders die Hauptpartien in überreichem Maße gerecht. Zu eleganter attraktiver Optik betörte Cornelia Ptassek auch vokal in großartiger Manier. Kam aus dem Staunen nicht heraus, in welch vorteilhafte Dimensionen sich ihr Sopran (seit der Mannheimer Zeit) entwickelte. Überzeugend verstand es Ptassek die Koordinaten der Heliane, die Entschlossenheit der Figur, Hingabe, Wut, Verzweiflung vokal umzusetzen. Ohne jegliche Abstriche wurde ihr klangvoller Sopran den hohen Anforderungen der Partie gerecht, ob zu lockerem Parlando, den unglaublichen Höhenaufschwüngen, den silbern hell leuchtenden Spitzentönen oder den schimmernden  Piani-Phrasen – nicht schien der schönen Stimme Mühe zu bereiten.

Auf besonders eindringliche Weise verstand es Zurab Zurabishvili dem Fremden, einer Art Erlöserfigur ins Reich eines autoritären Herrschers hereinbrechend vokale Glaubwürdigkeit und Größe zu schenken. Mit Noblesse durchlebte der georgische Sänger seine visionäre Botschaft und führte seinen strahlenden herrlich timbrierten Spinto-Tenor ohne jegliche Ermüdung durch die vokalen  Klippen der Partie. In souveräner Leichtigkeit erklomm Zurabishvili die Sprossen der hohen Tessitura, zauberte Legatobögen, betörte mit emotionalen Piani, klangvollem Höhenpotenzial und unerschöpflichen Kraftreserven. Nach derart souveräner Bewältigung dieser mörderischen Partie, müssten dem famosen Sänger  die tenoralen Fixsterne des Strauss-Wagner-Firmaments uneingeschränkt leuchten?

Dem von verletztem Stolz, Tyrannei und emotionaler Zerrissenheit geprägten Herrscher verstand es Aris Argiris auf vorzügliche Weise vokal wie „darstellerisch“ glaubwürdige Präsenz zu verleihen. In dynamischen Schattierungen zeichnete der inzwischen zum Wotan mutierte Bassbariton vokaltechnisch ein hervorragendes Charakterbild. Vorzüglich webte der griechische Sänger auf hohem Niveau weiche Klangphasen mit eruptivem Körperklang zum spannenden kontrastreichen Rollenportrait.

Deklamatorisch intensive Formation schenkte Katerina Hebelkova mit wohlklingendem Mezzosopran der Botin. Mit sonoren gebieterischen Basstönen punktete Taras Konoshenko (Pförtner), ebenso der Schwertrichter (Hojong Song). In bester stimmlicher Ausgewogenheit fügten sich die Akteure der kleineren Rollen Daniel Schliewa (junger Mensch), Beomseok Choi, Laurence Kalaidjian, Eungdae Han, Junggeun Choi, Juhwan Cho, Claire Austin, Angela Shin (Richter + seraphische Stimmen)  ins prägende Geschehen. Harmonisch bestens akzentuiert erklangen Chor und Extrachor des Theaters Lübeck (Jan-Michael Krüger).

Am Pult des Philharmonischen Orchesters der Hansestadt Lübeck waltete Andreas Wolf und animierte den fulminant aufspielenden Klangkörper zu prächtiger Formation. Glanzvoll disponierte Bläser, mit Hingabe musizierende Streicher, ein in höchst differenziert in allen Farben schillerndes Instrumentarium verhalfen dieser expressionistischen  Partitur zur exzellenten Wiedergabe. Gleichwohl zu entfesselten Fortissimo-Stürmen der beiden ersten Akte wie ebenso zur Profilierung der leiseren Tongebungen zur „Himmelfahrt“ wusste Wolf voll mit seiner Partitur und dem Orchester beschäftigt, klangtechnisch zu überzeugen. Zum aufmerksamen  Sänger-Begleiter fehlte ihm scheinbar jegliche Sensibilität, wie ich von meinem seitlichen Platz ersehen konnte, waren Solisteneinsätze nicht seine besondere Stärke.

Allen „Merkereien“ zum Trotz zelebrierte der Dirigent knapp drei Stunden musikalische unter die Haut gehende qualitative Hochspannung.

Zehn Minuten Applaus und Bravorufe des nicht vollzählig erschienenen Publikums würdigten die glanzvolle Aufführung.

Gerhard Hoffmann

 

 

 

Diese Seite drucken