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LÜBECK/ Konzert und Kongresshalle: Eröffnung des Schleswig-Holstein-Musikfestivals in der Konzert- und Kongresshalle

05.07.2021 | Konzert/Liederabende

Eröffnung des Schleswig-Holstein-Musikfestivals in der Konzert- und Kongresshalle via 3sat am 4. Juli 2021/LÜBECK

Impulsive Rhythmik

Dieses Jahr findet das Schleswig Holstein-Musikfestival wieder mit Publikum statt. Unter der impulsiven Leitung von Pablo Heras-Casado musizierte das NDR Elbphilharmonie Orchester zunächst die Sinfonie Nr. 6 in C-Dur von Franz Schubert, die in den Jahren 1817/1818 entstand. Dass dieses Werk hell und aufgelockert in der thematischen Arbeit ist, wurde bei dieser präzisen Wiedergabe deutlich. Jugendliches Feuer paarte sich dabei mit männlicher Energie. Und die Vorbilder von Haydn bis Beethoven machten sich versteckt bemerkbar. Der erste Satz überzeugte vor allem durch sein elegantes Holzbläser-Spiel, das nie aufdringlich wirkte. Das sensible Klangideal der Romantik machte sich dabei einmal mehr bemerkbar. Auch die liedhafte Andante-Melodie des zweiten Satzes fesselte hier mit sensibel gestalteten Holzbläserpoesien. Hier und im nachfolgenden Scherzo machte sich die „große“ C-Dur-Sinfonie bereits bemerkbar. Zukunftsweisend wirkte ebenso das ausgesprochen kraftvoll gestaltete Finale dieses reif wirkenden Werkes.  Der erst 26jährige kanadische Pianist mit polnischen Wurzeln, Jan Lisiecki, war dann der glanzvolle Solist beim Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll op. 37 von Ludwig van Beethoven, dessen virtuoses Raffinement er akribisch und mit höchster Konzentration ausleuchtete. Dabei wurde  er vom NDR Elbphilharmonie Orchester unter Pablo Heras-Casado höchst einfühlsam begleitet. Der Gegensatz von Solist und Orchester wirkte hier nie störend, sondern ausgesprochen inspirierend. Und auch die straffe Energie des Hauptthemas Allegro con brio kam im ersten Satz ausgesprochen forsch und wirkungsvoll daher, während das Seitenthema nichts von seiner Anschmiegsamkeit verlor. Und auch die kühnen Anforderungen in der gewaltigen Durchführung besaßen eine elektrisierende Schwungskraft, die nicht nachließ. Der wunderbar träumerischen Stimmung des zweiten Largo-Satzes  wurde Jan Lisiecki in mehr als einer Hinsicht gerecht. Und das Rondo-Thema des Schluss-Satzes geriet zu einer wahrhaft atemlosen Stretta, dessen rhythmische Verästelungen der Pianist wirkungsvoll auskostete. Die pontierten Akzente blitzten in reizvoller Weise hervor. Insbesondere der sinfonische Gesamtcharakter des Werkes stach bei dieser Interpretation leuchtend hervor. Leidenschaft und Größe paarten sich hier immer wieder mit romantischem Überschwang, leidenschaftlicher Spielfreudigkeit und herrlicher Melodik. Als Zugabe spielte Jan Lisiecki das Nocturne op. 9 Nr. 1 in b-Moll von Frederic Chopin. Harmonische Nuancen, leidenschaftliche Steigerungen und rhythmische Freiheiten gingen dabei eine glückliche Verbindung ein. Und die enharmonischen Verzögerungen des zweiten Des-Dur-Themas erschienen schemenhaft und geheimnisvoll. Ovationen.

Alexander Walther

 

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