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LUDWIGSHAFEN/Pfalzbau/ Ausweichspielstätte des Nationaltheaters Mannheim: LES HUGUENOTS /Die Hugenotten von Giacomo Meyerbeer. Premiere

23.01.2023 | Oper international

Ludwigshafen/NT Mannheim: DIE HUGENOTTEN  22.1.2023 – Premiere

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Im Ausweichquartier des Theaters im Pfalzbau Ludwigshafen kommt endlich wieder eine spektakuläre Oper mit dem Nationaltheater Mannheim zum Zug:  Mit Giacomo Meyerbeers Les Huguenots‘ /Die Hugenotten nämlich eine seiner vier Grand Operas, mit denen er zwischen 1830 und 1870 (auch postum) in Paris unumschränkt die Spielpläne der großen Opernhäuser beherrscht hat. 1836 wurde nach ‚Robert le Diable‘ Les Huguenots uraufgeführt, wie immer bei den großen vier auf ein Libretto des ‚Starlibrettisten‘ Eugene Scribe, hier noch verstärkt durch die Autoren Gaetano Rossi und Emile Dechamps. Bereits sechs Jahre nach der UA wurde die Oper in Mannheim erstaufgeführt, in der Stadt, in der viele Hugenotten Zuflucht finden konnten.

Nun also im Pfalzbau, da das Nationaltheater mindestens vier Jahre saniert wird, und zwar mit  dem zuletzt auch in Wien tätigen Regieduo Jossi Wieler und Sergio Morabito, mit der Bühne und den Kostümen von Anna Viebrock als Koproduktion mit dem Grand Theatre de Geneve. Das Dirigat hat Janis Liepins, die Choreographie Altea Garrido inne. Es gelingt eine Aufführung, die trotz der Länge der Oper durchgehendes Interesse erweckt, obwohl gängige Striche zumeist aufgemacht wurden bis auf den Schlusschor im 5.Akt „Dieux le veux“, der leider sehr amputiert daher kam und damit nicht den ultimativ gewaltigen Schlußpunkt setzen konnte, den Meyerbeer sich für sein Opus magnum nach langen ‚Vorgeplänkeln‘ in Akt 1-3 gewünscht hat.

Janis Liepins gelingt mit dem NT-Orchester eine Wiedergabe, die im Ganzen tatsächlich mehr auf die Hervorhebung der heiteren Momente zielt, Tänze und rondoartige Formen vielfach in den Chören, aber die bedrückenden und sich zuspitzenden dramatischen  Fakturen erscheinen im Vergleich nicht so sehr zentriert und auf Kulmination gesteuert, wie etwa auch die ‚Schwertweihe‘ der Katholiken, die nicht so tragisch gewichtig, ja brutal eine Massenmanipulation schildert. Für ein Orchester wie das Mannheimer, das sehr viel Repertoire spielt, ist es eher ungewohnt, Partituren, die in der französischen Tradition überliefert sind, zu spielen. Das gelang aber sehr gut. Die herausragenden Soloparts der Viola d’amore (Daniela Braun), der Flöte (Matthieu Grandola) und Baßklarinette (Imke Muitjens) standen auch als Geist einer bereits getöteten Hugenottin, als Musiker am Hof von Navarra und bei der Eheschließung Valentine – Raoul auf der  Bühne. Die Chöre (E.: der scheidende Dani Juris) bei den Festivitäten wurden in angemessen hohen Tempi sehr elegant genommen und oft nacheinander quasi durchgewunken.

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Foto: Christian Kleiner

Die Regie setzt auf ein vielfach variiertes und ‚korrigiertes‘ Einheitsbühnenbild A. Viebrocks. Der Hof der Navarra ist durch zwei hohe Türme weiter vorne und dahinter markiert, links und rechts aber hohe Betonwände weisen in die Moderne. Wie überhaupt die Inszenierung in die Entstehungs- bzw. Spielzeit der Oper verlegt wurde, wenn ab 2.Akt an den Seiten Filmprojektoren der Urzeit auf Podesten stehen, mit denen das Bedürfnis des Hofes nach Selbstdarstellung befriedigt wird. Besonders Königin Marguerite macht sich an ihnen zu schaffen. Im 3.Akt, wenn auch die Natur eine Rolle spielt, werden zwei große Fenster mit Bäumen projiziert. Die katholischen Höflinge sind durch weiße vornehme Anzüge gekennzeichnet. Wieler/Morabito lassen es sich nicht nehmen, von Beginn an zu ihrem Auftreten auch die bereits ermordeten Protestanten als StatistInnen, die mit ihren Verletzungen und blutigen  zerrissenen Renaissance- Klamotten, wie abgeschiedene Geister auch tänzerisch auftreten zu lassen. Der Höfling Raoul gehört eigentlich auch dazu und mutiert erst zu einem bei den Katholiken eher scherzweise Aufgenommenen in schwarzem Frack. Auch der Dienerfunktion einnehmende Bois-Rosé ist so ein Geduldeter (Uwe Eikötter mit seinem durchschlagend pointierten Tenor). In der Paris- Außenszene werden die Katholiken ihrerseits in einer bizarren Choreographie gezeichnet, in der sie sich in krampfhaften Bewegungen schütteln, was vereinzelte Buhrufe evoziert. Später sind sie in einer großen Filmszenen in ausgesucht noblen und ästhetisch verfremdeten Kleidern, Drapierungen und horrorartiger Gesichtsschminke bei der Schwertweihe und werden auf das Massaker eingeschworen. Alle strecken ihre Kreuzchen und Edelreliquien vor. Die große Szene Valentine  Raoul dann auf weitgehend leerer Bühne mit der Baßklarinetten- Spielerin, deren Instrument wie ein Saxophon  klingt. Sehr bizarr vor dem Exodus.

Die Marguerite wird von Ana Durlovski einzigartig gesungen und gestaltet. Es ist ein Koloratursopran, der sich ganz virtuos-technisch gestaltet, und sich angenehm, ganz plastisch, anhört. Sie investiert viel in die Versöhnung am Hof, auch durch die Liebesintrige, die ihr aus der Hand gleitet. Bei der Hochzeit mit Henri von Navarra trägt sie eine erlesene Renaissancerobe. Raoul de Nangis ist Anton Rositskiy, der seinen edlen tragenden Tenor, der sich nach oben wunderbar öffnet, mit eminent schauspielerischem Talent verknüpft. Vom gestoßenen Geschlagenen wird er zum eigentlichen Sieger und kann seine Liebe zu Valentine retten. Großartig Sung Ha als sein ‚Flügeladjutant‘, der sich als Haudegen vieler Religionskriege gekonnt in Szene setzt. Dabei steht ihm in der Tiefe ganz knorriger wohltimbrierter Baß zu Verfügung. Als Urbain, der Page Marguerites, ist Hyemi Jung mit frischem angenehmen manchmal ironischen Sopran begabt. Die Valentine Hulkar Sabirova, Tocher des erzreaktinären Saint-Bries konvertiert in finis zum protestantischen Glauben, um mit Raoul zu sterben. Sie kann mit schöner einfühlsam aufblühender Stimme Aufsehen erregen und  in einer grünen Schlußrobe Furore machen. Ihr Vater ist mit Stefan Sevenich, einem durchdringenden polternden dabei konzisen Baßbariton fantastisch besetzt. Fast als Gegenspieler erscheint der Comte Nevers  und der ist mit Nikola Diskic nobel und mit glasklarem Bariton ausgestattet.

Weitere Höflinge sind Tavannes (Christopher Diffey), Cossé ((Hoesu Kim), Thore-Maurevert (Kabelo Labyana), De Retz (Joachim Goltz) und Meru (Serhi Moskalchuk). Einen Schutzmann singt Thomas Berau. Katholischer Student: Jung-Woo Hong. Bei den Damen zeichnen sich Maria Polanska und Rebecca Blanz als Hofdamen, junge Katholikinnen und Bohemiennes aus.

Friedeon Rosén

 

 

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