Klassik Open Air & Feuerwerk „Viva Europa!“ am Seeschloss Monrepos bei den Schlossfestspielen/LUDWIGSBURG (13.7.2019)
Euphorisch und leidenschaftlich
Es war „ein Hexenritt“ der besonderen Art und Klasse. Auch in diesem Jahr musizierten das Orchester des Goethe-Gymnasiums Ludwigsburg unter der Leitung von Benedikt Vennefrohne sowie das Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele unter der impulsiven Leitung von Pietari Inkinen gemeinsam. Das Motto „Hexenritt“ passte natürlich gleich zum ersten Stück, dem „Hexenritt“ und „Knusperhäuschen“ aus der Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck. Mit rhythmischer Präzision konnten sich die Motive prachtvoll entfalten. Melodisch hingebungsvoll und einfühlsam spielte das Orchester des Goethe-Gymnasiums unter Benedikt Vennefrohne dann das Andante aus „Loreley“ op. 16 von Max Bruch, während die „Walpurgisnacht“ von Charles Gounod ein inneres Feuer besaß, das nicht mehr zu löschen war. Der feine Nerv der französischen Sprachmelodie wurde von den jungen Musikern genau getroffen.
Bei der überaus rasant musizierten „Karneval-Ouvertüre“ op. 92 von Antonin Dvorak triumphierte der straffe rhythmische Stil in elektrisierenden Staccato-Attacken. Hier musizierte das fulminante Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele unter der zupackenden Leitung von Pietari Inkinen auch die Rumänischen Volkstänze Sz. 68 von Bela Bartok mit nie nachlassender Inspirationskraft. Äusserste Strenge und Differenziertheit beherrschte bei dieser feinnervigen Interpretation die Klangsprache. Mit atemlosen Tempi wurden außerden die Ungarischen Tänze Nr. 1, 3 und 5 von Johannes Brahms interpretiert, wobei sich die thematischen Verbindungslinien glutvoll zusammenschlossen. Eine aufregende Entdeckung war ferner „Maskerade“ von Carl Nielsen, wo sich die einzelnen Motive wirklich wie hinter Masken verbargen, um dann wieder ganz unmittelbar hervorzuleuchten. Das unheimliche viertaktige Motiv von „In der Halle des Bergkönigs“ aus der „Peer-Gynt-Suite“ Nr. 1 op. 46 von Edvard Grieg erreichte dabei eine immer größere Intensität – und nach der Übernahme der Geigen und Oboen setzte eine große Steigerung ein, die nicht mehr aufzuhalten war. Die Posaunen übernahmen den stampfenden Rhythmus in markanter Art. Von Wilhelm Stenhammar erklang die sinfonische Ouvertüre „Excelsior!“ op. 13 als interessante Entdeckung – und dies insbesondere aufgrund der ungewöhnlichen Streicherbehandlung, deren chromatische Spitzfindigkeiten sich immer weiter emporschraubten.
Das Vorspiel zu Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ gelang Pietari Inkinen mit dem Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele mit plastischer Klarheit. So wurde die kunstvolle Polyphonie des Stimmgewebes in atmosphärisch reizvoller Weise herausgestellt. Lebensfreude und kraftvoller Gefühlsüberschwang beherrschten diese mitreissende Interpretation. Das lebhaft vorwärtsdrängende Synkopenmotiv ging dann schwungvoll zum zweiten Thema über, der blühenden Liebesmelodie aus Walthers Preislied. Von Edward Elgar erklang der pathetisch musizierte Marsch aus „Pomp and Circumstance“ op. 39, eine Art englischer Nationalhymne. „Eine Nacht in Lissabon“ op. 63 von Camille Saint-Saens spielte facettenreich mit klassizistischen Nuancen, die sich klangfarblich verfeinerten. Ausgezeichnet gelang dem Orchester hier auch die schwärmerische Liebesmelodie mit dem reizvollen Englischhorn-Solo aus der Ouvertüre „Der Römische Karneval“ op. 9 von Hector Berlioz. Zum grandiosen Feuerwerk, das sich in diesem Jahr in tausend Himmelsrichtungen entfaltete, erklang zuletzt das „Capriccio italien“ op. 45 von Peter Tschaikowsky. Das effektvolle Trompeten-Signal stach glanzvoll hervor. Riesenjubel für dieses ungewöhnliche Open-Air-Konzert, bei dem Intendant Thomas Wördehoff seinen Abschied feierte.
Alexander Walther