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LUDWIGSBURG/ Schlosspark: SCAPINO-BALLETT ROTTERDAM. Vision des lichten Jenseits

22.12.2025 | Ballett/Performance

Scapino Ballett Rotterdam am 21.12.2025 im Forum am Schlosspark/ LUDWIGSBURG

Vision des lichten Jenseits

SEs ist ein subtiles Spiel mit Händen und Körpern in vielen Schattierungen. Und es geht in der Choreografie von Nanine Linning und Christa Beland (Bühne) um Unsterblichkeit – ein Traum, der so alt wie die Menschheit selbst ist. Von den Alchemisten des Mittelalters bis zur Nanotechnologie von heute zeigt sie die Suche nach dem Zauber der ewigen Jugend. So ist die suggestive visuelle Multimedia-Performance „Anima Obscura“ entstanden. Selbst zeitgenössische Experimente von Biohackern kommen hier nicht zu kurz. Diese Tänzerinnen und Tänzer werden zu Protagonisten in einem monumentalen Kunstwerk für ein großes Ensemble. Hologramme, Kostümdesign und die Musik von Johannes Brahms‘ „Deutschem Requiem“ sowie „Ein Schemen“ von Yannis Kyriakides verschmelzen zur faszinierenden Einheit. Remy van Kesteren spielt ausdrucksvoll die Harfe, die mitten auf der Bühne steht. Auch die international bekannte Modedesignerin Irina Shaposhnikova wirkt dabei mit. Als Künstlerin stellt Linning auch hier kritische Fragen an die Zukunft. Die Schönheit der Musik von Brahms liege darin, dass er den Hinterbliebenen Trost spende. Das irdische Leben stehe im Zentrum. Dies nimmt man auf der Bühne deutlich wahr, auf der viele Körper wie in einer riesigen Kette zusammenschmelzen. So besitzt diese Performance etwas Einzigartiges. Beide Musikwerke sind bei dieser Arbeit über die Textstruktur miteinander verwoben, was sehr gut gelungen ist. Der technologische Boom gibt immer wieder den Ton an und wird hier auch kritisiert. Alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein. „Anima Obscura“ handle von der Essenz des Lebens, sagt Nanine Linning. Bilder und Musik werden eingefangen. Und Kyriakides neigt sich in seinen Fragmenten vor Brahms und dem Requiem-Text. Moderne Klänge für Chor, Harfe und Elektronik beschwören eine schwer fassbare Zukunft. Die Video-Szenografie von Claudia Rohrmoser leistet hier ganze Arbeit. „Anima Obscura“ zeigt eine mögliche Evolutionstheorie. Jede Szene hat ein einzigartiges Bild und führt durch verschiedene Rituale. Anderswo werde Krieg geführt, sie versuche, mit Kunst Liebe zu machen, so Linning. Die gewaltige Musik von Brahms‘ „Requiem“ passt dazu hervorragend. Stille und wehmütige Trauer prägt sich beim Tanz tief ein. Eindrucksvoll gestaltet die Kompanie auch den zweiten Satz, der an Totentanz-Darstellungen gemahnt. Mit düsterer Majestät wird dieser „Hymnus der Vergänglichkeit“ beschrieben. Chor und Orchester erstrahlen im Posaunenton, manchmal muss man sogar an Händels Jubelchöre denken. Auch die Vision des lichten Jenseits strahlt eindringlich hervor. Die ruhig-feierliche Seligpreisung des Ausklangs kommt eindrucksvoll zum Vorschein. Eine milde und wunderbar ergebene Melodie begleitet dabei die Tänzerinnen und Tänzer. Zuvor erstrahlt die grandiose Fuge „Herr, du bist würdig“ in den glühendsten Farben, was das 1945 gegründete Scapino Ballett in ausgezeichneter Weise umsetzt. Manchmal intoniert der Chor seine Passagen in verzweifelter Stimmung zu unheimlich verhallenden Paukenschlägen. Und die Tänzer reagieren darauf mit höchst unterschiedlichen, sensiblen Bewegungen. Zuletzt glänzt die Bühne in einem sphärenhaften, rötlichen Schimmer.

Jubel, „Bravo“-Rufe.

Alexander Walther      

 

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