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LUDWIGSBURG/ Schlossfestspiele/Ordenssaal: BRAHMS UM ELF – harmonische und rhythmische Finesse

21.05.2017 | Konzert/Liederabende

 „Brahms um elf“ bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen im Ordenssaal in Ludwigsburg 21.5.2017

HARMONISCHE UND RHYTHMISCHE FINESSE

Von Francois Sagan gibt es den berühmten Roman „Lieben Sie Brahms?“ In Abwandlung zu diesem Motto fand im Residenzschloss im Ordenssaal „Brahms um elf“ statt. Und auch hier konnte man Brahms natürlich lieben. Das überaus temperamentvolle Trio Manfred Lindner (Klarinette), Gustavo Surgik (Violine) und Gerard Wyss (Klavier) interpretierte zunächst aus der Suite op. 157b für Violine, Klarinette und Klavier von Darius Milhaud „Ouverture“ und „Vif et gai“. Das Stück handelt von einem Veteran, der durch eine Verwundung im 1. Weltkrieg sein Gedächtnis verloren hat. Nach Kriegsende wird er von diversen Familien als vermisster Sohn beansprucht. Darius Milhaud schrieb zu Jean Anouilhs Tragikomödie „Le voyageur sans bagage“ eine zirkushaft anmutende Schauspielmusik. Dissonante Harmonien umspielen das Thema von Schuld und Gewalt. Der jüdische Franzose Milhaud konnte vor Beginn des 2. Weltkriegs gerade noch in die USA emigrieren. Diese klanglich vielschichtigen Tränen eines Clowns erfassten die drei Musiker hervorragend. Chromatische benachbarte Dreiklänge und reizvolle Dur-Moll-Skalen schufen eine geradezu erregende Atmosphäre. Diese Panchromatik atmete eine große Freiheit. Neue Formen und Ausdrucksmittel ließen sich bei dieser Wiedergabe nicht verbergen. Anschließend erklang von Johannes Brahms die Sonate Es-Dur op. 120/2 für Klarinette und Klavier. Eine streng motivisch entwickelte Durchführung beherrschte das emotionale Musizieren bis zur rasanten Tranquillo-Coda. Auch das kontrastreiche Scherzo wurde hier sehr gut getroffen. Da knisterten immer wieder feurige Funken. Wuchtig im Klang und schroff in der Harmonik spielten die beiden Solisten um die Wette, vergaßen dabei aber keine Details. Leidenschaftlich wirkte auch das Trio, während das Finale an Joseph Haydn gemahnte. Mehrere Satztypen, Formen und Satzfunktionen vereinigten sich so zu einem irisierenden Klangkosmos. Das Schluss-Allegro imponierte mit einer gewichtigen Coda. Rhythmisch spitzte sich hier alles in energischer Weise zu. Das ungestüme Musikantentum stand im Mittelpunkt. Synkopenstauungen führten schließlich zur Auflösung des Themas. Geniale Musikanten waren auch bei der ausgezeichneten Wiedergabe der Sonate Nr. 3 in d-Moll op. 108 für Violine und Klavier von Johannes Brahms am Werk, deren thematischer Verbindungsreichtum hervorstach. Das spannungsvolle Hauptthema mit seiner erregten Begleitung und das dezente F-Dur-Seitenthema besaßen Klangfarbenreichtum. Dramatisch wurde durchführungsartig alles aufgebrochen, entwickelte sich feinsinnig über einem pochenden Orgelpunkt. Herabsinkende Chromatik und Seufzer-Figuren besaßen bei dieser durchdachten Interpretation Profil. Als einfühlsam-bewegender Gesang der Violine gefiel dann das D-Dur-Adagio – und das Scherzo überraschte als atemlos dahinjagendes und wildes rhythmisches Stück. Das dicht gearbeitete Finale besaß vorwärtsdrängende Seitenthemen, die zielgenau auf die abschließende Coda zusteuerten. Klang und Rhythmus vereinten sich in beglückender Weise. Feuer und Esprit besaß zudem die Wiedergabe des Trios für Klarinette, Violine und Klavier von Aram Chatschaturian, wo sich klassische Formen in raffinierter Weise mit impressionistischer Koloristik vereinen. Folklore und Neoklassizismus wurden formal sehr gut getroffen. Als Zugabe war noch die famos musizierte „Einladung in das Schloss“ von Francis Poulenc zu hören, der sich hier als „Mönch und Lausbub“ mit nuancenreichen Intervallspannungen meldete. Herzlicher Schlussapplaus. Danach gab es noch einem Umtrunk zu Ehren Wolfgang Gönnenweins.

Alexander Walther

 

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