Konzert mit Dorothee Oberlinger (Blockflöte) und ihrem Ensemble bei den Schlossfestspielen am 14. Juli im Ordenssaal/LUDWIGSBURG
Streifzug durch die Musikgeschichte
„Eternal Breath – ein Atem durch die Zeit“ stand als Motto über diesem bemerkenswerten Konzert. Dorothee Oberlinger (Blockflöten) überraschte das Publikum gleich zu Beginn bei „O Ecclesia“ von Hildegard von Bingen, wo der spirituelle Zauber der Musik in subtiler Weise eingefangen wurde. Hochvirtuos und elektrisierend zugleich kam dann „commentari III“ von Dorothee Hahne daher, wo sich die raffinierten Echo-Effekte in geradezu sprunghafter Weise vervielfältigten. Das war ein kontrapunktisches Feuerwerk der Superlative. Ins 16. Jahrhundert entführten die rhythmisch reizvoll interpretierten Tänze „Shiarazula Marazula“ und „La Lauandara Gagliarda“ aus „Il primo libro de balli“ von Giorgio Mainiero. Der harmonische Zauber der Renaissance-Zeit entfaltete sich dabei in fantasievoller Weise. Willy Merz komponierte sein zeitgenössisches Werk „Spiralia“ für die beiden Künstlerinnen Dorothee Oberlinger (Blockflöten) und Anna Friederike Potengowski (Steinzeitflöten). Hier stehen mehrere thematische Schichten harmonisch über- und nebeneinander. Von Anna Friederike Potengowski erklangen daraufhin die beiden von der Komponistin differenziert gespielten Stücke „Aare“ und „Vogelimprovisation“. Das Imitieren von Tierstimmen gehört zu den Vorzügen von Anna Friederike Potengowski, die Trillereffkte genauso perfekt interpretiert wie Fingerglissandi und Windgeräusche. Das virtuose Spiel mit den 40.000 Jahre alten Flöten beherrscht Potengowski souverän. Bei Antonio Vivaldis rasant musiziertem Allegro aus „Il Gardelino“ („Der Distelfink“) als Konzert für Blockflöte triumphierte Dorothee Oberlinger aufgrund der unglaublichen Stilsicherheit ihres Spiels, das sie zusammen mit dem hervorragenden Ensemble l’arte del mondo sowie Werner Ehrhardt (Violine und musikalische Leitung) dem begeisterten Publikum präsentierte. Ausgeglichene formale Form und reizvolle al-fresco-Technik wechselten sich dabei in fulminanter Weise ab. Die Grifflöcher der Blockflöte schienen dabei immer wieder Feuer zu fangen. Sehr eindrucksvoll waren außerdem „Wadawishung Pade“ und „Mayuman – ein Gesang aus der Welt der ungemessenen Zeit“ von Georg Wieland Wagner, der mit seinen raffinierten Perkussion-Effekten die Welt nachhaltig hinterfragt. Geräuscheffekte spielen dabei immer wieder eine große Rolle. Abschließend musizierte Dorothee Oberlinger (die das Institut für Alte Musik der Universität Mozarteum Salzburg zehn Jahre leitete) ihre atemberaubende Virtuosität nochmals bei Antonio Vivaldis berühmtem Konzert „La Notte“ für Blockflöte, Streicher und Basso continuo g-Moll RV 439. Hier war das angstvoll pochende Herz gleich bei der Frage am Beginn zu hören. Die Gespenster der Nacht beeinflussten dabei ganz entscheidend die Dynamik des Gesamtablaufs. Virtuose Umspielungen in der Dominanttonart wurden dabei auf die Spitze getrieben. Dorothee Oberlinger besitzt um die hundert Flöten, so entsteht eine große musikgeschichtliche Bandbreite.
Alexander Walther