A Tribute to Billie Holiday in der Musikhalle am Bahnhof
KULTIVIERT UND SENSIBEL
„A Tribute to Billie Holiday“ am 16. Oktober 2015 in der Musikhalle am Bahnhof/LUDWIGSBURG
Billie Holliday
Die amerikanische Sängerin Shaunette Hildabrand ist dem Jazz der 30er und 40er Jahre in ganz besonderer Weise verbunden. Sie hat sich sehr intensiv mit Billie Holiday und ihrer Art zu singen beschäftigt, dabei aber einen ganz eigenen und unverwechselbaren Stil entwickelt. Sie beherrscht ein großes Repertoire an Songs, die sie in der gut besuchten Musikhalle vorstellte.
Shaunette Hildabrand . Foto: Roman David
Begleitet wurde sie von dem exzellenten Klarinettisten und Saxophonisten Frank Roberscheuten, dem versierten Bassisten Henning Gailing, dem Pianisten Olaf Polziehn und dem fulminanten Schlagzeuger Frits Landesbergen, der wie Roberscheuten aus den Niederlanden kommt. Shaunette Hildabrand ließ das bewegte Leben von Billie Holiday Revue passieren: „The Lady Sings The Blues“. Keine Frage: Die 1915 als Elinore Harris im US-amerikanischen Philadelphia geborene Sängerin Billie Holiday liegt ihr in ganz besonderer Weise am Herzen. Ihre Fassungen von Klassikern wie „Stormy Weather“ oder „A Fine Romance“ galten als bahnbrechend. Sie verfiel jedoch in den dreißiger Jahren immer mehr Marihuana, Heroin und Alkohol. 1959 starb sie verarmt und mittellos in einem New Yorker Krankenhaus. All diese Facetten des bewegten Lebens von Billie Holiday vermag Shaunette Hildabrand in Ludwigsburg gekonnt darzustellen. Ihre Stimme besitzt zudem einen enormen Klangfarbenreichtum, der sich bei Nummern wie „Billy’s Blues“ oder „Swing Brother Swing“ in geradezu erstaunlicher Weise durchsetzt. Ohne jede gesangliche Härte kommt Shaunette Hildabrand dabei aus. Ihre schmiegsame, schlanke und kultivierte Stimme kann die Zuhörer auch bei weiteren Songs wie „You’ve changed“, „What a little moonlight can do“ oder „Smoke get’s in your eyes“ in suggestiver Weise beeindrucken. Shaunette Hildabrand bemerkte aber, dass Billie Holiday offensichtlich keine Blues-Sängerin im eigentlichen Sinne gewesen sei, obwohl sie auch diesen Stil perfekt beherrschte. Die Elastizität von Billie Holidays Gesang beherrscht Shaunette Hildabrand in eindrucksvoller Weise, auch die deutliche Nähe zum Mikrophon war immer wieder gut herauszuhören. Leidenschaftlich betonte sie ihre Kantilenen in der Musikhalle bei der berühmten Nummer „Good Morning Heartache“, wo auch die leiseren Zwischentöne keineswegs fehlten. Shaunette Hildabrand betonte zudem, dass Billie Holiday unglaublich vielseitig gewesen sei. Bereits mit 12 Jahren habe sie damit begonnen, sich in schwarze Musik zu vertiefen. Ein besonderes Vorbild war für sie dabei Bessie Smith. Der Zauber des modernen Jazz konnte sich auch in der Musikhalle überzeugend entfalten. Mit Temperament und Vitalität trug sie außerdem einen Song von Sonny Rollins vor. Melodielinien wurden hier durch weit auseinandergezogene Staccato-Töne nur angedeutet. Und Fats Wallers grandioser Titel „Honeysuckle Rose“ hatte in Frank Roberscheuten einen kongenialen Interpreten, der mit seinem Instrument ganz aus sich herausging. Mit wunderbarer Gelöstheit wurde hier musiziert, die Töne sprangen quicklebendig hervor. Der Einfluss von Count Basie war ebenfalls deutlich herauszuhören. Zwischen oft weit auseinandergezogenen einzelnen Noten wurde dabei in elektrisierender Weise Spannung erzeugt. Dass die Stimme von Billie Holiday nichts von der Härte einer Bessie Smith besaß, machte Shaunette Hildabrand immer wieder plastisch deutlich: „I’m got a luck my heart…“ Auf der anderen Seite besaß Billie Holidays Gesang die Elastizität von Lester Youngs Tenorsaxophonspiel, was Shaunette Hildabrand auch bei ihrer Interpretation in Ludwigsburg deutlich werden ließ. Die Zusammenarbeit mit Benny Goodman sei für Billie Holiday allerdings weniger erfolgreich gewesen, bemerkte Hildabrand. Eigentlich ist Billie Holidays Leben eine Tragödie: Von ihrer Existenz als Hausmädchen in Baltimore wurde sie über Vergewaltigung und Prostitution zum Gesangsstar – und stürzte durch den Rauschgiftkonsum wieder total ab. Sie durfte nicht einmal mit ihren weißen Kollegen essen. Zuletzt klang ihre Stimme alt und glanzlos. Stimme, Technik und gesangliche Biegsamkeit von Shaunette Hildabrand sind allerdings hinsichtlich der Gestaltungs- und Ausdruckskraft in jeder Hinsicht bemerkenswert, deswegen war auch der Schlussbeifall in der Musikhalle entsprechend frenetisch und herzlich. Vom 13. bis zum 17. April 2016 findet übrigens in Ascona ein Swing-Festival statt. Shaunette Hildabrand ist dort unter anderem auch Dozentin. Veranstaltet wurde dieses Konzert unter anderem vom Jazzclub Ludwigsburg.
Alexander Walther
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