Stuttgarter Philharmoniker mit Anna Tifu (Geige) am 24. November 2024 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG
Klangzauber und Wucht
Die Akademische Festouvertüre op. 80 ist der musikalische Dank von Johannes Brahms für die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Breslau. Er verwendete hier für die Themen auch Studentenlieder und wurde dafür kritisiert. Aber Brahms wäre nicht Brahms, wenn ihn das aus der Ruhe gebracht hätte. Dieses Werk strotzt nur so vor Selbstbewusstsein und Optimismus! Manch melancholischer Schatten ist hier trotzdem zu spüren. Es ist ein Rückblick des reifen Mannes auf seine Jugendzeit. In den Streichern regt sich dieses Gefühl geheimnisvoll. Und in den Trompeten erklingt die eindringliche Melodie „Wir hatten gebauet ein stattliches Haus“, was die Stuttgarter Philharmoniker unter der impulsiven Leitung von Adrian Prabava auch in bewegender Weise zu Gehör brachten. Oboen und Klarinetten griffen diese Melodie erfrischend auf. Das Einleitungsmotiv erschien in leuchtendem Dur. „Hört, ich sing das Lied der Lieder“ überzeugte als weiteres Motiv – und in den Fagotten erklang temperamentvoll das Fuchslied „Was kommt von der Höh'“. Die verschiedenen Themen gipfelten dann in einer mitreissenden Durchführung, bis jubelnd das „Gaudeamus igitur“ hervorbrach.
Die 1986 in Cagliari geborene Geigerin Anna Tifu interpretierte anschließend das Konzert für Violine und Orchester Nr.1 in a-Moll op. 77 von Dmitri Schostakowitsch, dessen Komposition er im Jahre 1947 begann. Zwei Jahre nach Stalins Tod wurde das Werk mit David Oistrach in Leningrad uraufgeführt. Im ersten Satz erklangen bedrohliche Melodien, die Anna Tifu eindringlich und bewegend zugleich beschwor. In Anlehnung an das BACH-Motiv verewigte sich Schostakowitsch hier mit den Tönen D Es (S) C H. Marschartig kam das Scherzo daher, dessen dämonische Ausgelassenheit unter die Haut ging. Glänzend musizierte Anna Tifu dann die folgende Passacaglia mit dem sich ständig wiederholenden Bassthema. Die Sologeige und das Orchester beschworen diese Melodie mit großer Intensität. Die Kadenz erinnerte an ein Klagelied der Violine. Und die Burlesque geriet zu einem grotesken Tanz. Anna Tifu bot hier eine bravouröse Leistung, obwohl ihr eine Saite einen Streich spielte. Durch ununterbrochenes Spiel sind die Anforderungen an den Solisten hier gewaltig. „Symphonische Phantasie“ nannte der 21jährige Richard Strauss seine sinfonische Fantasie G-Dur op. 16 „Aus Italien“. Die herrlichen Naturschönheiten Roms und Neapels blühten auch in der leidenschaftlichen Wiedergabe mit den Stuttgarter Philharmonikern unter Adrian Prabava überwältigend auf. Der erste Andante-Satz „Auf der Campagna“ brachte wehmütige Stimmungen auf den Punkt. Natur wird mit Gesehenem verknüpft. Die fahle Morgendämmerung mündete hörbar in eine strahlend aufsteigende Sonne. Diese Klangvision gipfelte in einem sehr deutschen Hymnus. Im zweiten Satz Allegro molto con brio lösten sich scharf geschnittene Themen in reicher Zahl ab, boten Kraft und Gefühl auf. Großen Klangreiz besaß auch der dritten Satz Andantino. Bestechend erklang „Am Strande von Sorrent“. Dieses impressionistische Klangwunder erinnerte an Sonnenflimmern auf sprühenden Wellen. In diesem flimmernden Lichterspiel tauchte zunächst eine träumerische Melodie auf, die ihre hymnische Glut kaum verbergen konnte. Die gefühlvolle Waldromantik Mendelssohns blieb spürbar. Die Oboenmelodie des Mittelteils besaß dann viel Stimmungszauber. Sehr gut gelang auch das „Neapolitanische Volksleben“ des Finales Allegro molto. Mit kühnem Realismus wurde das freche „Funiculi-Funicula“ beschworen. Eine wirbelnde, stampfende Tarantella hetzte hier über alles hinweg. Ein Kehraus, der besonderen tänzerischen Schmiss besaß.
Viel Schlusspplaus und „Bravo“-Rufe.
Alexander Walther