Nederlands Dans Theater am 25.3.2022 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG
Vielfältige metallene Skulpturen
Copyright: Nederlands Dans Theater
Geradezu revolutionäre tänzerische Arbeiten präsentierte das berühmte, im Jahre 1959 gegründete Nederlands Dans Theater im voll besetzten Forum am Schlosspark. Das facettenreiche Stück „Toss of a Dice“ (gewidmet Walter Nobbe) von Jiri Kylian beruht auf einem Gedicht des französischen Symbolisten Stephane Mallarme: „Ein Würfelwurf wird niemals den Zufall aufheben“ (Rezitation: Aurelie Cayla). Ein sich unheimlich bewegendes Mobile schwebt dabei über die Bühne, das von dem japanischen Künstler Susumu Shingu stammt. Licht und Schatten bewegen hier die Windskulpturen und Objekte. Die Tänzer nehmen das unaufhaltsame Rotieren auf, ein wallender Vorhang erinnert an lodernde Flammen.
Zur Musik von Dirk Haubrich zeigen die Tänzer eine große Ausdrucksvielfalt, deren Intensität immer mehr zunimmt. Haubrichs Komposition beruht auf dem Fallen eines Tropfens, es kommt zu einem regelrechten Tsunami an Geräuschen. Zuletzt senkt sich die bedrohliche Skulptur auf die Menschen. Marina Mascarell ist Tänzerin, weiße Elemente füllen ihr subtiles Stück „How to cope with a sunset when the horizon has been dismantled“. Mascarell sieht Richard Wagner, John Cage, György Ligeti und Jean Sibelius als vier weiße, männliche Bezugspunkte westlicher Musik. Das Es-Dur-Vorspiel aus Richard Wagners „Rheingold“ und „Valse triste“ von Jean Sibelius werden hier besonders ausdrucksstark umgesetzt. Der tanzende Körper widersteht den Automatismen. Immer wieder ändert sich die tänzerische Reaktion. Ebenfalls eine deutsche Erstaufführung ist „I love you, ghosts“ in der Choreografie und Ausstattung von Marco Goecke. Es geht um gute und böse Geister – wie von Ferne singt Harry Belafonte „Try To Remember“ und „Danny Boy“. Wie Zombies erscheinen hier die Tänzer mit geradezu computerhaften Bewegungen. Schwarze Tücher wallen, ein bleicher Nachtmahr erscheint mit spitzen Ohren, Schreie gellen in der Nacht. Die Tänzer trösten sich auch in Umarmungen. Bei Alberto Ginasteras Finale furioso aus „Concerto per Corde“ op. 33 kommt es zu kontrapunktischen Verwicklungen, die tanztechnisch perfekt umgesetzt werden. Und beim Allegro molto aus der Kammersinfonie Nr. 2 op. 147 von Mieczyslaw Weinberg sowie dem „Epitaph für Bela Bartok“ von Einojuhani Rautavaara triumphiert die harmonische Vielschichtigkeit in tänzerischer Leuchtkraft und Präzision. Die melancholische Erinnerung an etwas Verlorenes besitzt hier eine ergreifende Intensität. Jubel.
Alexander Walther