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LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: LA CENERENTOLA mit dem Theater Chemnitz

Viele satirische Zuspitzungen

16.02.2020 | Oper


Copyright: Dieter Wuschanski

Gioachino Rossinis „La Cenerentola“ mit dem Theater Chemnitz am 16.2.2020 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Viele satirische Zuspitzungen

 Der Melodienreichtum von Rossinis „La Cenerentola“ („Aschenputtel“) ist unübertroffen. Hier gewinnt Aschenputtel durch ihre Herzensgüte die Liebe eines Prinzen, während ihre beiden bösen Stiefschwestern leer ausgehen. Das aufgeklärte 18. Jahrhundert kommt auch in der gelungenen Inszenierung von Kobie von Rensburg voll zu seinem Recht. Die Bühne von Steven Koop und die Kostüme von Christopher Kempf (Choreografie: Sabrina Sadowska) passen sich dem Zeitgeist des 18. Jahrhunderts durchaus an.

Die Vernunft des Philosophen Alidoro weist hier mit List den Weg zur Erkenntnis. Als Prinzessin verzeiht Angelina nämlich großmütig ihren beiden garstigen Stiefschwestern Tisbe und Clorinda sowie ihrem bösartigen Stiefvater Don Magnifico. Angelina wird dann selbst einer Probe ausgesetzt, doch durch ihre Liebe kann sie den verkleideten Prinzen Don Ramiro erkennen und die beiden werden ein glückliches Hochzeitspaar: „Ende gut, alles gut!“

Diese Inszenierung sprüht nur so von Einfallsreichtum und satirischen Zuspitzungen, die die Ironie des „Schwans von Pesaro“ unterstreichen. So steht die bunte Welt der Kirchen und Paläste wieder auf, doch die Protagonisten schwirren auch als Bienen durch die Lüfte und huschen als Mäuse über die Bühne. Der Philosoph Alidoro zaubert zahlreiche Buchstaben und Ereignisse auf die Bühne, die sich immer wieder kunstreich verwandelt. So sieht man die Protagonisten sogar in Bilderrahmen stehen: „Ruhe jetzt, sonst gibt’s einen Skandal!“ Die zahlreichen männlichen Bewerber um die Hand der drei so unterschiedlichen Schwestern werden mit sarkastischer Schärfe überzeichnet. Sie liegen zuletzt betrunken auf dem Boden – und ein riesiger Spiegel vergrößert die Räumlichkeiten in ungeheure Dimensionen. Das sind glänzende szenische Einfälle, die sich hier tief ins Gedächtnis eingraben. Das gleiche gilt für die einzelnen Buchstaben, die sich wie bei einem Mosaik zusammensetzen. Die Insekten haben bei dieser Inszenierung ebenfalls starke Auftritte. Sie verwandeln sich plötzlich in Hubschrauber und Flugzeuge mit Propeller, die den Himmelsstürmen trotzen. Beim großen Festbankett wird sogar noch ein raffiniertes Feuerwerk gezündet.

Die szenische Leitung der Wiederaufnahme von Jasna Zaric ist absolut geglückt. Und auch das musikalische Niveau der Aufführung unter der kompetenten Leitung von Jakob Brenner ist sehr beachtlich. So zeichnet die sehr präzis musizierende Robert-Schumann-Philharmonie die zahlreichen Ostinato-Passagen und Crescendo-Steigerungen facettenreich nach. Die Sängerinnen und Sänger sind dem Charakter der Commedia dell’arte verpflichtet. Virtuose Soli und glanzvolle Ensemblesätze werden nuancenreich herausgearbeitet. Und auch die lyrische Empfindung kommt nicht zu kurz. Sylvia Rena Ziegler vermag ihren Koloraturen und rasanten Parlando-Arien große innere Leuchtkraft zu geben, während Niamh O’Sullivan als Tisbe sowie Franziska Krötenheerdt als Clorinda nicht nur mit witzigen lautmalerischen Wortspielen um die Gunst des Prinzen kämpfen. Mit strahlkräftigen Höhenflügen brilliert ferner der heißblütig agierende Tenor Matteo Roma als Prinz Don Ramiro. Und als echauffierter Vater überzeugt auch Noe Colin mit famosen Bassfluten, die zuweilen auch Bariton-Nähe besitzen. Ralf Lukas vermag dem Zauberer und Philosophen Alidoro ein erhabenes Charisma zu geben, während Andreas Beinhauer als intriganter Kammerdiener Dandini das reiche harmonische Geschehen mit figurativen Einschüben würzt. Die Herren des Opernchores der Theater Chemnitz in der famosen Einstudierung von Stefan Bilz überzeugen mit kraftvollen Kantilenen. Und auch die Mitglieder der Ballettschule der Theater Chemnitz zeigen einen facettenreichen Einsatz.

Rossinis Oper hat übrigens den Untertitel „La bonta in trionfo“ („die triumphierende Güte“). Cenerentolas trauriges Moll-Volkslied gelingt Sylvia Rena Ziegler jedenfalls ausgezeichnet. Cenerentolas samtweiches Timbre tritt hier sehr deutllich hervor, während sich ihre quengeligen Sopran-Rivalinnen durchzusetzen versuchen. Sinkende Tonfolgen verdeutlichen bei dieser Aufführung auch klar Cenerentolas verwirrten Geisteszustand. Markant ist dann jene Szene, bei der Cenerentolas Stiefvater ihren Auftritt beim Ball verhindern will: „Signor, una parola“. Bei diesem Ensemblesatz in C-Dur sprüht die Formation vor Spielwitz. Beim Erscheinen von Ramiros Hauslehrer Alidoro macht sich ein facettenreiches Es-Dur bemerkbar, das Jakob Brenner mit der Robert-Schumann-Philharmonie überzeugend herausarbeitet. Ein Höhepunkt dieser Aufführung ist jene Szene, als Don Magnifico behauptet, Cenerentola sei tot. Die stoßweise Erschütterung im Orchester gelingt exzellent. Auch die anschließende Stretta in C-Dur zeigt Verve und Biss. Noe Colin kann zudem seiner Traum-Kavatine betörende und eindringliche Kantilenen entlocken. Die Probleme Don Magnificos mit dem durchtriebenen Diener Dandini werden in köstlicher Weise überzeichnet. Neben dem eindrucksvollen Schluss der Oper fesselt hier auch Cenerentolas Eintritt in das große Sextett des zweiten Aktes in Es-Dur: „Siete voi?“ Die körperlichen Verwandlungen und die Verschiebung des Gesangsstils erreichen bei dieser Vorstellung eine ungewöhnliche Intensität. Jubel, Begeisterung, viele Vorhänge.

Alexander Walther

 

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