Matthias Redlhammer, Friederike Ott. Foto: Felix Grünschloss
„Husbands and Wives“ mit dem Schauspiel Frankfurt am 29.1.2020 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG
Der einsame Professor
Steht die Ehe wirklich immer noch hoch im Kurs? Dieser Frage geht Woody Allens Drehbuch „Husbands and Wives“ aus dem Jahr 1992 nach. Zwei Paare treffen sich, aber aus dem gemütlichen Abend wird eine ungewöhnliche Offenbarung. Denn zwei von ihnen möchten sich nach vielen Ehejahren trennen, um nicht im tristen Alltag zu versinken. Doch aus diesem Abenteuer wird dann das Ende aller bürgerlichen Sicherheiten. Die „Ehemänner“ begegnen nämlich jüngeren Frauen und die „Ehefrauen“ schwanken in ihren Gefühlen zwischen Schuld und Eifersucht. Woody Allens Resümee lautet: „Die Ehe ist der Versuch, zu zweit mit Problemen fertig zu werden, die man allein niemals gehabt hätte.“
Im Zentrum steht hier der von Matthias Redlhammer wunderbar wandlungsfähig gemimte Universitätsprofessor Gabe Roth, dessen Ehe mit seiner von Friederike Ott facettenreich dargestellten Frau Judy Roth in die Krise geraten ist. Am Ende wird sich Roth von seiner Frau trennen, die sich in ihren Kollegen Michael (mit vielen Nuancen: Benjamin Grüter) verliebt und diesen heiratet. Eine wichtige Rolle im Stück nimmt auch die von Christina Thiessen subtil dargestellte Studentin von Gabe ein, die diesem gehörig den Kopf verdreht. Matthias Redlhammer kann in dieser Rolle glaubwürdig vermitteln, wie er sich hier plötzlich wie ein verliebter Teenager fühlt. Trotzdem bleibt er immer der einsame Professor. Seine Frau Judy, Redakteurin eines Kunstmagazins, ist mit Michael dann glücklich verheiratet. Paradox ist zudem, dass sich Sally und Jack (furios: Anna Kubin und Sebastian Kuschmann) zu Beginn des Stückes trennen wollen, aber zum Schluss wieder ein Paar sind. Der große Looser ist bei Woody Allen der Literaturprofessor der New Yorker Columbia University Gabe Roth, der eher unfreiwillig als Single weiterleben muss. In der psychologisch glaubwürdigen Regie von Christian Brey und der bunten Ausstattung von Anette Hachmann lässt man Kunst und Wirklichkeit mit der Musik von Gustav Mahlers neunter Sinfonie einfühlsam Revue passieren. Der Professor philosophiert über Turgenjew und Dostojewskij – und die junge Studentin himmelt ihn an. Christina Thiessen spielt hier aber nicht nur die quirlige Studentin Rain, sondern auch die Yoga-Lehrerin Sam und das Callgirl Shawn. Ganz ungeniert berichtet diese, dass der Professor bei ihr zunächst „keinen hochgekriegt“ habe. Die rhetorische Frage „Hast du das Bedürfnis, mit einer Nutte zu schlafen?“ wird von dem als prüde beschriebenen Literaturprofessor aber schließlich bejaht.
Die Inszenierung von Christian Brey arbeitet jedenfalls glaubwürdig heraus, wie Friederike Ott als Judy bemüht ist, ihre eigene Beziehung zu hinterfragen. Sie beginnt mit Gabe eine Diskussion, in deren Verlauf dieser erwähnt, dass Jack ihm gegenüber angedeutet habe, mit einem Callgirl geschlafen zu haben. Sally hat nun erfahren, dass Jack eine Affäre hat. Anna Kubin macht deren Eifersuchtswahn in brillanter Weise deutlich. Hitzige Telefonanrufe in der roten Kabine heizen die Situationskomik noch erheblich an. Das Tempo dieser Inszenierung ist auf jeden Fall punktgenau und in sich stimmig. Sally lässt ihre hysterische Wut an dem Kollegen aus. Der Professor möchte seine Studentin allerdings nicht verführen, doch beim Gewitter kommt es zu einem leidenschaftlichen Kuss zwischen den beiden. Gabe hatte vor Jahren eine Liaison mit einer jüngeren, sexuell nimmersatten Frau namens Harriet, die später in einer psychiatrischen Anstalt landete. Jack hat nun eine neue Freundin, die Aerobic-Trainerin Sam: „Mexikanisch? Ich liebe Couscous!“ Judy wirft ihrem Mann vor, in dessen neuem Roman als schlechtere Kopie der großen Liebe des Protagonisten dargestellt zu werden. Sally hingegen verkraftet ihre Trennung und verkuppelt Judy erfolgreich mit Michael. Die scheinbar harmlose Bilderwelt wird auch in dieser Inszenierung konsequent vernichtet. Deutlich wird, dass selbst die neuen Beziehungen auf brüchigen Fundamenten aufgebaut sind. Nicht Liebe, sondern Angst und Illusion beherrschen die Situation. Sally ist sich sicher, dass sie eine sexuelle Erfüllung bei Jack nicht mehr finden wird. Bei ihr dominiert die Resignation. Trotzdem kommt sie am Ende wieder mit ihm zusammen: „Man kann sich nicht dazu zwingen, sich auf irgendeine abstrakte Vorstellung von Liebe oder von Ehe zu einigen. Jede Situation ist anders“. Gerade dieser Aspekt kommt bei der Inszenierung von Christian Brey präzis zum Vorschein.
Im Spielfilm von Woody Allen spielt er selbst übrigens den Professor Gabe Roth und Mia Farrow ist seine Frau Judy Roth. Wolfgang Draeger fungiert in der weitgehend überzeugenden Aufführung des Schauspiels Frankfurt ferner als imaginäre Stimme, die die Personen intensiv befragt. Er ist Erzähler und Interviewer zugleich. Und Benjamin Grüter mimt zudem gekonnt Sallys Kollegen Paul, Judys ersten Mann David und Rains Psychiater Richard.
Alexander Walther