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LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: DER RING AN EINEM ABEND

31.10.2022 | Oper international

„Der Ring an einem Abend“ von Loriot am 30.10.2022 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Das Ende der Unschuld

Als glanzvolle Festaufführung zum 30-jährigen Jubiläum war Loriots Kurzfassung von Richard Wagners Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ im gut besuchten Forum zu erleben. Der berühmte Komiker und Erfinder des bekannten TV-Hundes hat das Werk um 12 Stunden in raffinierter Weise gekürzt, so dass man es gar nicht richtig merkt. Dieser „Eingriff“ soll bei den Freunden Wagners die Sehnsucht nach dem Ganzen wachrütteln und den Gegnern Gelegenheit geben, ihre bisher haltlosen Vorurteile überzeugend begründen zu können. Laut Loriot sind die Täter in dieser Tetralogie eigentlich ganz nette Leute, die aber mehr besitzen wollen, als ihnen zusteht. Unter der musikalischen Leitung von Janis Liepins musizierte das Orchester des Nationaltheaters Mannheim schon beim „Rheingold“-Vorspiel in Es-Dur mit großer Konzentration. Thomas Berau ließ als Alberich seinen Goldraub drastisch Revue passieren. „Lugt, Schwestern,  die Weckerin lacht in den Grund…“ verkündeten Amelia Scicolone als Woglinde, Rebecca Blanz als Wellgunde und Maria Polanska als Flosshilde beim weiteren melodischen Fortgang leuchtkräftig. Und der Erzähler Thomas Maria Peters wies dabei auf das Ende der Unschuld dieser splitternackten Rheintöchter hin. Auch der Dialog zwischen Wotan und Fricka besaß dank Renatus Meszar und Jelena Kordic elektrisierendes Feuer. Thomas Berau brillierte nochmals bei Alberichs Fluch mit voluminöser Wucht, während der Einzug der Götter in Walhall dann bombastischen Schliff besaß. Als Loge und Mime gefiel auch Uwe Eikötter mit schlanker Tenorstimme. Leidenschaftlich und aufwühlend ging es beim Auftritt von Siegmund und Sieglinde (überwältigend: Jonathan Stoughton, Astrid Kessler) bei der „Walküre“ weiter, wo der Dirigent Janis Liepins das Orchester zu gewaltigen dynamischen Steigerungen anspornte: „Inzest und Ehebruch, man ist begeistert!“ Daniela Köhler imponierte mit ihrem ungemein strahlkräftigen Sopran als Brünnhilde bei der Todverkündigung. Die Walküren Gerhilde, Ortlinde, Waltraute, Schwertleite, Helmwige, Siegrune, Grimgerde und  Rossweisse  hatten mit den Sängerinnen Frederique Friess, Rebecca Blanz, Marie-Belle Sandis, Julia Faylenbogen, Estelle Kruger, Shachar Lavi, Maria Polanska und Jelena Kordic einen imposanten Auftritt. Renatus Meszar als Wotan verlieh Wotans Abschied und Feuerzauber nochmals ergreifenden Glanz. Bei „Siegfried“ zeigten Jonathan Stoughton als Siegfried und Uwe Eikötter als Mime starken Charakterisierungsreichtum. Hier blitzten auch feine Spuren von Humor hervor.  Man erfuhr, dass Wagner „Siegfried“ tatsächlich zwölf Jahre sitzen ließ, um zwischendurch schnell „Tristan“ und „Meistersinger“ zu komponieren. Und man registrierte, wie rasant Mime hier sein „Zwergenhaupt“ verspielte. Neben der Begegnung mit Wanderer und Siegfried (wo Renatus Meszar und Jonathan Stoughton brillierten) begeisterte zuletzt das Duett von Brünnhilde und Siegfried aufgrund überwältigender dynamischer Höhepunkte und gesanglichem Klangfarbenreichtum. Das Kraft-Motiv mit seinen markanten Quartenschritten endete mit dem hinreissenden Jubel-Motiv, wo Daniela Köhler als Brünnhilde und Jonathan Stoughton als Siegfried über sich selbst hinauswuchsen. Ausgezeichnet war auch der Eindruck, den Ausschnitte aus der „Götterdämmerung“ hinterließen. Die berühmte „Morgendämmerung“ wurde allerdings rein orchestral musiziert. Bei den „Gibichungen“ ging es dann recht rustikal zu. Patrick Zielke verkündete als Hagen mit Rabenschwärze „Hagens Wacht“ – und der umsichtige Dirigent Janis Liepins arbeitete Wagners kunstvolle Technik der leitmotivischen Verknüpfung in faszinierender Weise heraus. Das kam dann auch den Sängerleistungen zugute. Als Gutrune überzeugte ferner Astrid Kessler mit einfühlsamen Kantilenen – laut Loriot die einzige Dame,  die nicht Siegfrieds Tante ist. Und Thomas Berau überzeugte als stets zögernder Gunther. Die Auseinandersetzung zwischen Brünnhilde und Waltraute besaß dank Daniela Köhler und Marie-Belle Sandis dramatisches Feuer bei den grellen Klängen des Untergangs. „Siegfrieds Tod“ mit dem farbenreichen Tenor Jonathan Stoughton war dann ein weiterer Höhepunkt dieses Abends. Nach diesem ergreifenden Schwanengesang erklang mit monumentaler Größe Siegfrieds Trauermarsch, wo der Dirigent Janis Liepins sämtliche Hauptmotive der Wälsungengeschlecht-Thematik höchst präzis in chronologischer Reihenfolge Revue passieren ließ. „Grane, mein Ross! Sei mir gegrüßt!“ sang Daniela Köhler als Brünnhilde zuletzt mit überaus leuchtkräftigen Spitzentönen. Mit dem Motiv der hervorbrechenden Lohe aus dem Feuerzauber vereinigten sich hier in gewaltiger Weise das Siegfried- und Ritt-Motiv. Und auch das „Scheiterhaufen-Motiv“ wurde dabei vom Orchester in grandioser Weise herausgemeisselt. Der Liebeserlösungsmelodie kam das ebenfalls zugute. „Dann beginnt der Alptraum der Bühnentechnik“ – so heißt es jedenfalls bei Loriot  alias Vicco von Bülow (1923 bis 2011). Fazit: Wagner sollte man am besten mit Loriot begegnen, dann kann man keinen Fehler machen. Ovationen, Riesenapplaus.

Alexander Walther

 

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