Das Ballett Rijeka am 12.2.2022 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG
Im barocken Stil
Als Commedia dell’arte inszeniert Giovanni di Palma Igor Strawinskys Musik zu „Pulcinella“ nach Giovanni Battista Pergolesi. Das Ballett Rijeka aus Kroatien lässt hier die Liebeswirren dreier Paare Revue passieren. Flirten, Eifersucht, Prügeleien, ein vorgetäuschter Tod und eine mirakulöse Wiederbelebung stehen in der subtilen Choreografie von Giovanni di Palma im Mittelpunkt. Alles endet mit drei Hochzeiten. Es gibt hier Masken und bunte Verkleidungen. Neben der heiteren Leichtigkeit des Stegreif-Spiels fesselt die Pantomime. Virtuose Tanzwirbel kennzeichnen die Musik mit Themen des neapolitanischen Barockkomponisten Pergolesi. Auch die barocken Formen der Sinfonia werden von den Tänzern wirkungsvoll umgesetzt. Und die erlesen-zarten Klänge der Serenata verführen mit graziösen Bewegungen. Beim Scherzino breitet sich spätbarocker Scherzo-Geist aus. Die wirbelnde Tarantella und die prickelnde Toccata überschlagen sich bei dieser optisch fesselnden Darbietung mit geschwinder Geschäftigkeit. Und bei der Gavotta wartet das Ballett Rijeka mit zierlich-eckiger Grazie auf. Im Vivo-Satz mit den Glissandi der Posaunen kommt es zu erheiterndem Witz und Ulk. Auch die bedächtige Anmut des Menuetto kommt nicht zu kurz. Die lyrische Linie des Finales strahlt hervor.
Ebenfalls als deutsche Erstaufführung überzeugt „Nachmittag eines Faun“ mit der berührenden Musik von Claude Debussy. Der Choreograf Masa Kolar holt den Faun ins 21. Jahrhundert und zeigt ihn als einen auf sich selbst bezogenen Narzissten und als Geschöpf der digitalen Medien. Der Faun interessiert sich nicht mehr für die Nymphen, sondern nur noch für sich selbst. Der von Gegensätzen zerrissene Mensch steht hier im Mittelpunkt – wie Mallarmes Faun zwischen Realität und Traum. Kunst, Erotik, Seele und Materie gehen auch tänzerisch in eindrucksvoller Weise ineinander über. Lyrische Arabesken kennzeichnen die flimmernden Umrisslinien, wie hinter Schleiern schwebt die traumhafte Vision im Mittagslicht auf. Das Idyll des Fauns mit betörenden Nymphen besticht mit nuanciertem Körperausdruck und rhythmischer Klarheit. Die sinnlich strömende Melodie der Nymphen wandert von den Holzbläsern zu den Streichern – und die Glut eines Sommertages wird in wilden Sprüngen sichtbar.
Die Choreographie „Rapsodie espagnole“ des Portugiesen Filipe Portugal mit der Musik von Maurice Ravel überzeugt durch rhythmische Präzision und sensiblen Ausdruck. Dem lautmalerischen „Prelude a la nuit“ folgt eine stolze „Malaguena“ als Volkstanz im Fandango-Rhythmus, eine impressionistische „Habanera“ und zum Schluss die rasante „Feria“. Vielstimmige Melodiefetzen tönen in das flirrende Raunen der Nacht – und das Ballett Rijeka beschreibt die fallende Viertönefigur sehr vielgestaltig. Der aufpeitschende Trompetenruf der „Malaguena“ geht in die lässige Sinnlichkeit der „Habanera“ über. Dieses schillernde Farbenspiel der Klänge wächst zu einer orgiastischen Steigerung heran, wiegende Schritte gehen in eruptive Ausbrüche über. Trompeten, Holzbläser und Hörner verkünden das spanische Volksfest „Feria“, dessen erregender Taumel gar nicht enden will.
Jubel und Begeisterung für das Ballett Rijeka des kroatischen Nationaltheaters Ivan Zajc.
Alexander Walther