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LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: Danza Contemporanea de Cuba

18.12.2022 | Ballett/Tanz

Danza Contemporanea de Cuba am 17.12.2002 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Karibische Sinnlichkeit

 Die Formation Danza Contemporanea de Cuba wurde bereits im Jahre 1959 gegründet – im Jahr von Fidel Castros Revolution. In „Consagracion“ zeigen die beiden Choreographen Christophe Beranger und Jonathan Pranlas-Descours ihre vor Vitalität sprühende Version von Igor Strawinskys berühmtem Ballett „Le Sacre du Printemeps“. Sie ist die erste in Kuba entstandene Version dieses epochalen Werkes. Die Choreografen stammen aus der französisch-belgischen Tanzszene. Hier steht nicht die auserwählte Jungfrau im Zentrum des Geschehens – sondern das Kollektiv rebelliert mit ihr gemeinsam. Rhythmische Urgewalt und vulkanische Entladungen kommen bei dieser Aufführung in hervorragender Weise zur Geltung. Die raffinierte Polytonalität wird in tänzerisch vielfältiger Weise umgesetzt. Die Zerlegung rhythmischer Motive und die motorisch pochenden Ostinati stechen vor allem im zweiten Teil heraus. Und die Dämonie des Rhythmus‘ feiert Triumphe. So wird das Ritual der sagenhaften Ureinwohner Russlands plastisch greifbar.  Am Ende gibt es hier keine Opferhandlung, sondern eine Befreiung. Symbolisch für die Neuartigkeit der Handlung sind die langen Schleier, die alle Tänzer über dem Kopf tragen und die sie anfangs zu anonymen Figuren dieses Kollektivs machen. An die afrokubanische Tradition erinnern die kreisenden, sinnlichen Bewegungen der Hüften und Schultern. Fäustewerfen wechselt sich mit großen Kreisen aus Tänzern ab. Manchmal stehen die Tänzer wie um einen Gerichtsplatz, dann haben sie Probleme mit ihren Schleiern, die sie schließlich abwerfen. Das Folkloristische wird ins Unheimliche gesteigert. Ganz anders, dafür aber visuell nicht weniger intensiv ist „Polvo, palabras. sombras, nada“ in der subtilen Choreografie von George Cespedes (Kostüme: Vladimir Cuenca). Die Vergänglichkeit alles Irdischen wird hier mit Hilfe des persischen Gedichts „Staub, Worte, Schatten, Nichts“ aus dem 12. Jahrhundert thematisiert. Das Stück entstand zum 100. Todestag des Komponisten Camille Saint-Saens. Strenge lineare Strukturen korrespondieren dabei mit Orchester- und Chorwerken dieses Komponisten. Die musikalischen Ausschnitte stammen aus der „Messe de Requiem“, aus dem Oratorium „La Deluge“ („Die Flut“) über Noahs Arche, aus der dritten Sinfonie in c-Moll, der „Orgelsinfonie“ und aus dem zweiten Violinkonzert in C-Dur. Die Komposition „Danse macabre“ erklingt vor dem „Agnus Dei“ aus dem „Requiem“. Zwischen den einzelnen Musikstücken vernimmt man das Geräusch  von Wind und Wellen. Und auf der dunklen und schmucklosen  Bühne entsteht eine beängstigende Atmosphäre. Die strengen Formen geometrischer Ordnung werden hier aber auch immer wieder aufgebrochen. So folgen Sprünge vom Boden direkt nach oben, wütend recken sich Ellenbogen. Auf den Kampf zweier Männer folgt ein Duo der trauernden Frauen. Aus strenger Geometrie entstehen neue Ordnungen, Quadrate und Linien. Vollendete Klarheit und bestechende Aufmachung der Werke von Camille Saint-Saens passen dabei zur tänzerischen Ausführung. Am besten gelingt dies bei „Danse macabre“, einem fast fidelen Gespenstertanz, zu dem um Mitternacht die Fiedel des Knochenmannes die Skelette aus den Gräbern lockt. Es ist ein mondäner Walzer, der sich hier durchsetzt. Im Rhythmus des Xylophons klappern die Knochen, bis der Hahnenschrei in der Oboe alles verstummen lässt. Riesenjubel für das Ballett Danza Contemporanea de Cuba im voll besetzten Forum am Schlosspark.

Alexander Walther

 

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