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LUDWIGSBURG/Forum Schlosspark: BALLETT „ROMEO UND JULIA“ mit dem Ballett Rijeka (Kroatisches Nationaltheater)

04.12.2022 | Ballett/Performance

Ballett „Romeo und Julia“ von Sergej Prokofjew mit dem Ballett Rijeka (Kroatisches Nationaltheater) am 3.12.2022 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG 

Dynamische Vehemenz

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Copyright: Ballett Rijeka

Die Choreografie von Jiri Bubenicek spielt im Bühnenbild von Aleksandra Ana Bukovic in einer Traumarchitektur, die an die Ruinen einer vergessenen Stadt erinnert. Und die Kostüme von Nadina Cojocaru verbinden in raffinierter Weise das Zeitgenössische mit der Renaissance. Video-Sequenzen von Fanni Tutek-Hajnal und Nadina Cojocaru zeigen die Protagonisten immer wieder in Großaufnahme und holen das Geschehen ganz nah zum Zuschauer. Das Ballett Rijeka bringt die Fantasie des Melodikers Prokofjew bei dieser Geschichte von zwei verfeindeten Familien und zwei jungen Menschen tänzerisch auf den Punkt.  Mit stürmischem Schwung und dynamischer Vehemenz werden dabei die Bewegungen umgesetzt. So wird beispielsweise Mercutios Spott über Romeos Liebeskummer in scharf akzentuierten Auftritten sichtbar. Später ermordet Tybalt Mercutio, der die Familien Capulet und Montague verflucht. Tybalt wird schließlich aus Rache von Romeo getötet. Das Tat- und Beziehungsgeflecht verdichtet sich bei diesen Szenen immer mehr, der Zuschauer wird in die Handlung mit einbezogen. Und die Melodien erscheinen hier in gläserner Konturenschärfe. Die heftigen Auseinandersetzugen der Montagues und Capulets finden auf offener Bühne statt – und auch das Mädchen Julia erhält in dieser klugen und opulenten Choreografie zwischen antiken Büsten und Skulpturen eine eindringliche Charakterisierung. Bruder Lorenzo (der vergeblich helfen will) überzeugt ebenfalls mit markanter Gestaltungskraft. Der unbeschreibliche Zauber des Vivo-Tanzes kann sich voll entfalten.

Noch stärkere Wirkung besitzt dann der Abschied Romeos von Julia. Auch der Tanz der Sklavinnen besticht durch seine sphärenhafte Aura. Romeo an Julias Grab gehört als letzte Szene zu den szenisch ergreifenden Höhepunkten dieser Arbeit. Er ahnt ihren vorgetäuschten Tod nicht und nimmt nach der Ermordung seines Rivalen Paris tödliches Gift. Julia weigert sich, mit Lorenzo zu fliehen – und tötet sich mit Romeos Dolch, um ihm nachzusterben. Alle Figuren und Beziehungen stehen bei dieser Arbeit in einem elektrisierenden tänzerischen Spannungsfeld. Die Szenografie erstreckt sich hier von der Bühne bis in den Zuschauerraum.  Und die Tänzer tanzen nicht nur zur Musik. sondern auch zu Shakespeares Worten, die von zwei Schauspielern gesprochen werden. Emotionen und Reaktionen werden vom Ensemble in minuziöser Weise herausgearbeitet. Die entscheidende Frage, ob sich die Familien über den Tod ihrer Kinder endlich versöhnen können, steht zum Schluss in unverminderter Stärke im Raum. Die schwerfälligen, punktierten Rhythmen beim „Tanz der Ritter“ werden vom Ballett Rijeka in fesselnder Weise umgesetzt. Weitere choreografische Höhepunkte sind das „Machtwort des Herzogs“ sowie „Romeo rächt Mercutios Tod“.  Die Grenzen zur Atonalität werden beim Vorspiel zum dritten Aufzug in raffinierter Weise aufgehoben. Auch die gewaltige Clusterbildung im Orchester findet hier eine bewegende tänzerische Entsprechung. Laut Jiri Bubenicek sind es junge Liebende, die ihre große Liebe opfern, während ihre Familien kämpfen. Genreartige geschlossene Formabschnitte treten dabei sehr plastisch in den Vordergrund. Neben antiken Skulpturen und einer Glocke erscheint sogar ein großer Mond, der den nächtlichen Passagen Leben einhaucht. Einzelne Zeitabschnitte scheinen nahtlos ineinander überzugehen. Der Teufelskreis, aus dem es kein Entkommen gibt, tritt bei dieser Choreografie immer wieder in den Vordergrund. Die Tänzerinnen und Tänzer versuchen auszubrechen – gleichzeitig können sie sich nicht loslassen. Der Intention William Shakespeares wird diese Sichtweise in jedem Fall gerecht. Starker Schlussapplaus, „Bravo“-Rufe.

Alexander Walther

 

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