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LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: ENDSPIEL von Samuel Beckett – Nie ohne Humor

31.03.2017 | Theater

Endspiel“ von Samuel Beckett mit dem Deutschen Theater Berlin im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

NIE OHNE HUMOR

Becketts „Endspiel“ mit dem Deutschen Theater Berlin am 31.3.2017 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Bildergebnis für ulrich matthes
Ulrich Mathes. Foto: privat

In der subtilen Regie von Jan Bosse und dem schrägen Bühnenbild von Stephane Laime (Musik: Arno P. Jiri Kraehahn) können Ulrich Matthes als Hamm und Wolfram Koch als Clov ihren Spielwitz voll entfalten (Kostüme: Kathrin Plath).

Clov verkündet mit fast tonloser Stimme: „…Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende.“ Das Spiel geht dann in festgelegten Regeln und nie ohne Humor weiter. Zwischen Hass und Liebe pendeln die Figuren in der facettenreichen Darstellung von Ulrich Matthes und Wolfram Koch hier hin und her. Die Manipulierbarkeit des geschichtlichen Diskurses wird so immer wieder offenkundig. Die Welt außerhalb erscheint tot, aber so lange auf dem Theater munter weitergespielt wird, geht die Show dann eben weiter. Hamm nimmt Clov kurzerhand auf seinen Rücken, rennt mit ihm atemlos über die Bühne. „Die Natur hat uns vergessen“, verkündet Clov pessimistisch. „Es gibt keine Natur mehr.“ Und trotzdem geht die kleine Reise um die Welt konsequent weiter. Clov wird aber auch böse: „Wenn ich ihn töten könnte, würde ich zufrieden sein.“ Hamm brüllt erregt: „Das ganze Haus stinkt nach Kadaver! Ich scheiss‘ aufs Universum!“ Clov ist überzeugt davon, dass Hamm will, dass er ihn verlässt. Das schafft zusätzliche Spannungen, die sich nicht mehr vermeiden lassen. Clov resigniert: „Ich begreif‘ das nicht…“ Clovs Herr Hamm ist blind und bewegungsunfähig, hockt mit einem Tuch über dem Kopf auf dem Stuhl. Die Situation ist trostlos, und trotzdem machen die beiden immer weiter. Erinnerungen an Vergangenes mischen sich mit den Sticheleien der in Hass und Liebe miteinander verbundenen Figuren. Aus der festgefahrenen Ordnung gibt es für beide leider kein Entrinnen mehr. Das lassen die beiden gut aufeinander abgestimmten Schauspieler Ulrich Matthes und Wolfram Koch in eindringlicher Weise deutlich werden. Da gibt es kein Zurück mehr.

Wie Beckett hier mit dem Entsetzen Scherz treibt und auch als Clown begriffen werden will, macht Jan Bosse in seiner Inszenierung plausibel deutlich. Der Widerstand gegen die hoffnungslosen Verhältnisse steht unmittelbar im Mittelpunkt. „Da ist ’ne Ratte in der Küche!“ verkündet Clov höchst emotional. Und doch heißt es zuletzt: „Ich brauche dich nicht mehr. Wir sind es, die einander nicht mehr brauchen.“ Da setzt sich dann der ganze Pessimismus und die Melancholie trotz des sarkastischen Humors dieser Inszenierung durch. „Endspiel“ will laut Beckett bloßes Spiel sein, es soll keine Rätsel und Lösungen geben. Gerade dies lassen die beiden Schauspieler in bewegender und ironischer Weise Revue passieren. Sie hören letztendlich nicht genug aufeinander – deswegen verlässt Clov Hamm konsequent.

Jan Bosse hat den Text von „Endspiel“ auch gekürzt, es fehlen nämlich die Eltern Nagg und Nell, die keine Beine haben und in zwei Mülleimern dahinvegetieren. Deswegen wirkt das „Endspiel“ auch nicht so trostlos. Es ist dramaturgisch sowieso schwächer aufgebaut wie Becketts Kultstück „Warten auf Godot“. Niemand hält hier die anderen in tierischer Abhängigkeit. Jan Bosse hat Samuel Becketts grausamem Stück die Hoffnung zurückgegeben. Drastik und Komik stechen hier grell hervor und lassen die beiden Schauspieler bei einem darstellerischen Feuerwerk brillieren. Das Publikum darf sich amüsieren. Dies ist vor allem der Fall, als sich der nervöse Clov das Insektenpulver von den Kleidern schüttelt, was bei Hamm einen Hustenanfall auslöst. „Ich begreif‘ das nicht!“ bekennt Clov fassungslos. Die beiden Protagonisten heben trotzdem die Welt aus den Angeln.

So wird aus dem recht schwachen Text doch noch ein packendes Zwei-Personen-Stück mit spritzigen Dialogen und rhetorischen Pfeilen, die das Gegenüber ins Herz treffen. Begeisterter Schlussapplaus.

Alexander Walther

 

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